Der Schulchan Aruch in deutsch ist hier erhältlich

Abendgebet, תפלת ערב

Posted 2 mos ago

Abendgebet, תפלת ערב, rabbinisch: תפלת ערבית. I. Gebot, Einsetzung und Geschichte. Ein specielles Gesetz für das Abendgebet hat die Bibel nicht, dagegen ist der Abend als Gebetszeit schon in Psalm 55. 18 und Daniel 6. 11. gekannt, man hat also schon vor und während des Exils am Abend gebetet. Woraus das Abendgebet bestand, ob es eine bestimmte Gebetsformel gab, ist nicht bekannt. Der Tempelgottesdienst kennt nur einen Vespergottesdienst, wo das tägliche Abendopfer dargebracht wurde. Der Talmud daher, der das Gebet an den Tempelgottesdienst anlehnt, auch an dessen Stelle setzt, kann dessen gesetzliche Verpflichtung nicht auffinden.2 Im ersten Jahrhundert n. wird die Erörterung dieses Gegenstandes das Thema eines heftigen Streites zwischen dem Patriarhen R. Gamliel und dem Gerichtspräsidenten R. Josua, von denen Ersterer die Verpflichtung zum Abendgebet ohne weitern Nachweis behauptet, dagegen Letzterer sie in Abrede stellt und das Abendgebet dem freien Willen des Israeliten überläßt.3 So waren noch die Gesetzeslehrer R. Samuel und Rab Juda im 3. Jahrhundert zu keinem bestimmten Resultat gelangt und begnügten sich mit der bloßen Anführung der streitenden Meinnugen obiger Lehrer.4 Erst im 4. Jahrhundert machte sich zwischen den Lehrern Abaji und Raba eine feste, wenn auch wieder differirende Norm geltend, von denen Ersterer der Lehre des R. Gamliel beipflichtet, dagegen Letzterer sich für die des Rab Josua erklärt. Einen abweichenden Weg schlägt ein anderer Lehrer ein. R. Jose b. Chanina erklärt das Abendgebet als eine uralte Institution, älter als der Tempelgottesdienst und führt dasselbe auf die Stamnväter zurück.5 Ich erkenne in dieser Lehre ein Wiederanknüpfen an die Bibel, die Psalmen und das Buch Daniel, welche die Existenz des Abendgebetes voraussetzen. Doch wird dieser Annahme keine weitere Gesetzeskraft beigelegt, ihre Anführung gehört mehr dem Gebiete der Agada. Dagegen bildet sich eine dritte Ansicht durch, daß das Abendgebet, obwohl keine gesetzliche Pflicht, doch immer ein Gebot, מצוה, d. h. eine gottgefällige Handlung ist.6 So erhielt das Abendgebet seine Einführung und Sanktion. Von diesem Gebet haben wir das Lesen des Schema am Abend (siehe: Schema), das dem Abendgebet einverleibt ist, zu unterscheiden, dessen Pflichi in Bezug auf deu Vers: »Und rede davon, so du dich niederlegest und wiederaufstehst«, nie bezweifelt wurde. II. Die Formel und die Zeit des Abendgebetes. Das Abendgebebet, wie sich dasselbe in dem hebräischen Gebetbuche vorfindet, ist dem Morgengebet (s. d. A.) nachgebildet und hat, wie dieses, zu seinen Hauptbestandtheilen: a. das Schema und b. das Achtzehngebet, schimone-esre. Wie das Morgengebet erst mit dem Borchu beginnt, dem einige einleitende Psalmstücke, פסוקי דזמרא, vorangehen, so das Abendgebet. Dice Psalmstücke sind hier der Psalm 134 und der Vers 38 des Ps. 38 als Gebet um Versöhnung der Sünden des Tages.7 An Sabbat und Fest fallen dieselben weg, weil an diesen Tagen kein Gericht gehalten wird; das Abendgebet beginnt gleich mit dem Borchu.8 Das Schema, שמע, hat zwei Lobpreisungen vor und zwei nach. Die zwei vor sind: 1. das maarih arabim über das Licht am Abend und in der Nacht ähnlich dem Morgengebete jozer or, dem Dank für das Tageslicht;9 2. das ahabath olam mit dem Dank für den Beruf und die Aufgabe des Israeliten gleich dem ahabah rabbah des Morgengebets. Von den andern zwei Lobpreisungen ist das Erste: emeth we emunah gleich dem emeth wejazib im Morgengebet über die in der Geschichte Israels sich offenbarende Fürsorge Gottes mit der Schlußlobpreisung der Er-
---
2Jeruschalmi Berachoth Abs. 4, 1. heißt es: תפלח ערב: לא מצאו במה לתלותה ושנו אותה סתם.
3Berachoth 27.
4Das.
5Das. S. 26 und Jeruschalmi 4. 1.
6Sabbath 9.
7Tour orach chajim 237.
8Das.
9Berachoth 11. Das Gebetstück endete früher mit den Worten: ה צבאות שמו, das Andere ist späterer Zusatz, der viel Anstoß erregt hat. Das Gebetbuch der Sephardim hat noch die erste Formel ohne den Zusatz.


lösung Israels; das andere: haschkibenu um den ferneren Gottesschutz in den verschiedenen Verhältnissen. Der Schluß desselben ist an Werketagen schomer amo jisrael lead »er beschützet sein Volk Israel ewiglich;« aber an Sabbat und Fest das Friedensgebet, uphros olena mit der Endlobpreisung: hapores succath schalom, woran sich noch einige Bibelverse über den Sabbat und das Fest anschließen. In späterer Zeit kam an Werktagen noch das im 6. Jahrhundert für die Reisenden verfaßte furze Abendgebet: baruch leolam amen weamen hinzu. Es folgt nun der zweite Haupttheil des Abendgebetes: das Achtzehngebet, ש"ע, das Kadisch mit dem Alenu-Gebet, worüber wir ausführlich in den betreffenden Artikeln handeln. Am Sabbateingange tritt hierzu noch die Rezitation der Psalmen 95. 96. 97. 98. 99. und 29, mit dem schönen Sabbatweihelied lecha lodi und den Sabbatpsalmen 92. und 93. vor dem Eröffnungsgebete: horchu. Nach dem Achtzehngebet werden vom Vorbeter das wajchulu 1 M. 1., Bekenntniß der Weltschöpfung durch Gott, und das Siebengebet, oder die kurze schimone esre mit dem »magen aboth« vorgetragen. Es folgen darauf noch das ganze Kadischgebet, der Mischna-Abschnitt bame madlikin, das Kiddusch, Weihegebet, und das alenu. Die Zeit des Abendgebetes ist mit dem Eintritte der Nacht, beim Sichtbarwerden dreier Sterne am Himmel, bis zum Aufgang des Morgenrothes, doch wird dasselbe in den Synagogen mit dem Mincha-abendliches Lobgebet schon früher von 4 3/4, Uhr Nachmittags, פלג המנחת, bei Tag- und Nachtgleiche verrichtet.1 III Entstehung, Abfassung und Feststellung der Formel des Abendgebetes. Das Abendgebet ist, wie es uns in seiner redaktionellen Abfassung in dem hebr. Gebetbucbe vorliegt, das Produkt einer spätern Zeit, das in dieser Reihenfolge von den ersten Gesetzeslehrern, Tanaim,3 noch nicht gekannt war. R. Jochanan und Josua Sohn Levi im 3. Jahrhundert diskutiren, ob das Achtzehngebet vor dem Schema oder nach demselben gesprochen werden soll.3 In der Mischna werden von den Gebetsformeln die zwei Vor-Lobpreisungen und die zwei Nach-Lobpreisungen nur allgemein erwähnt, sie waren also im 2. Jahrhundert bekannt. Genannt wird von Abaji und Raba (im 4. Jahrh.): das hamaarih arabim; von R. Eleasar das ahabath olam;4 von Rab im 3. Jahrh. das emeth we-Emuna5 und das haschkibenu von Mar, dem Sohne des Rabina.6 Spätesten Ursprunges, etwa im 6. oter 7. Jahrh., sind die Gebetstücke: baruch leolam amen weamen und wejiru enenu. Doch dürfen wir nicht vergessen, daß die Lehrer des 3. Jahrh. R. Elasar und R. Juda und gewisse Rabbanan noch über die Aufnahme des Gebetes ahabath olam uneinig sind, da Erstere das Gebet ahaba rabha des Morgengebetes auch für das Abendgebet bestimmen.7 Auch das erste Gebetstück maarib arabim war kürzer, es endete schon mit hamabdil ben jom welaila und erhielt erst später den Zusatz: Zebaoh schemo el chai wekajom , der als Unterbrechung des Zusammenhanges, הפסק, viel Anstoß erregt hat, so daß das Gebetbuch der Sephardim die ursprüngliche Form ohne den Zusatz beibehielt.8 Ebenso wurde der dritte Abschnitt des Schema im Abendgebet beanstandet, weil die darin genannte Pflicht der Schaufäden des Nachts keine Anwendung hat. Rab Joseph erzählt, daß man in Palästina, laut dem Bericht des R. Samuel bar Juda, von dem 3. Abschnitte nur die ersten Worte und den Schluß ani elohechem emeth sage, aber die Zwischenverse über die Pflicht der Schaufäden weglasse.9 Gegen diesen Brauch mit seiner Halbheit lehrte Rab (im 3. Jahrh.), daß man diesen Abschnitt lieber gar nicht berühre, aber wenn er angefangen wird, soll er ganz gesagt werden.10 Erst in Bezug darauf thut Abaji, der Nachfolger Rab Josephs, den Ausspruch, da die im Land Israel wohnen nicht ganz den 3. Abschnitt weglassen, sondern den Anfang und das Ende desselben sprechen, sagen wir ihn ganz.11 Auf gleiche Weise wurde von den spätern das Gebet haschkibenu, als die Verbindung des vorher-
---
1Tur orach chajim 235.
2Siehe: Tanaim.
3Berachoth 4 b.
4Das. 11.
5Das. 21.
6Das. 4.
7Berachoth 4.
8Tur orach chajim 236.
9Berachoth 14 b.
10Das.
11Das.


gehenden Erlösungsgebetes mit dem Achtzehngebet störend, angekämpft und nur in der Intention, es sei gleichsam eine Verlängerung des Erlösungsgebetes, beibehalten.1 Das Gebet: barurch haschem leolam amen weamen rührt aus der Zeit her, wo die Synagogen außerhalb der Stadt auf den Feldern waren, welches man an der Stelle des Achtzehngebetes verfaßte.2 Gegen die spätere Beibehaltung desselben erhoben sich noch im Mittelalter bedeutende Gelehrte.3 Mehreres siehe: Morgengebet, Sabbatgebete, Festgebete.
---
1Das. 4.
2Tur orach chajim 236. Nach dem הניא stammt dieses Gebet von den Geonim her.
3Das.