Abend, ערב
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Abend, ערב. Der Abend in seinem Gegensatze zum Morgen, der Zeit des Hervorbrechens und der Zunalme des Tageslichtes, ist die Zeit der Abnahme des Tages bis zur völligen Dunkelheit. So heißt der Morgen im Hebräischen: boker, בוקר, der Hervorbrechende,9 dagegen der Abend: ereb, ער, der Mischende, Verdunkelnde.10 Man kennt mehrere Abtheilungen des Abends:
1. den Abend, den kleinen Abend der Araber, die Zeit, wenn die Schatten sich zu strecken anfangen, des Beginnes der Abnahme des Tageslichtes zwischen der 6. und 7. Tagesstunde = 12—1 Uhr;
2. die Abendzeit, עת ערב,11 bei den Arabern der völlige Abend, um die 9. Tagesstunde = 3 Uhr;
3. die Zwischenzeit der Abende, בין הערכים, die Zeit zwischen den eben-
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9 Nach der Bedeutung des Stammes: בקר.
10 Nach der Bedeutung des Stammes: ערב.
11 1 M. 8.11.
genannten zwei Abenden, wo die Darbringung des täglichen Abendopfers, das Anzünden der Lampen des goldenen Leuchters im Heiligthume und das Schlachten des Passahopfers stattfanden;1
4. die Abenddämmerungszeit, ערב יום2 die nach ihren verschiedenen Theilen bald: »Dämmerung,« neschef, נשף,3 bald: »Weder Tag, noch Nacht,« לא יום ולא לילה,4 im Talmud: Zwielicht, בין השמשות, heißt.
Ueber die genaue Bestimmung dieser Zeit sind die Angaben der Gesetzeslehrer im Talmud verschieden. Nach späterer Annahme ist sie die Zeit des völligen Sonnenunterganges bis zur gänzlichen Dunkelheit, oder von Sichtbarwerden des ersten Sternes bis zum dritten, im Ganzen nicht länger als 1/2 Stunde vor Nacht.5 Der Talmud hat auch noch zur Angabe der Gebetszeiten und für andere culturelle Bestimmungen die Eintheilung des Abends in seinem obigen biblischen weitesten Begriff: 1. die große Vesperzeilt, מנחה גדולה, von der 6 1/2 bis zur 9. Tagesunde = 1/2 1 Uhr bis 3 Uhr Nachmittags, adäquat der obigen ersten Abendszeit; um diese Zeit kann schon das Minchagebet (s. d. A.) verrichtet werden. 2. die kleine Vesperzeit, מנחה קטנה, von 9 1/2 Tagesstunde = 3 1/2 Uhr bis Sonnenuntergang, gleich der obigen zweiten Abendzeit, wo das Minchagebet verrichtet wird und man am Freitag die Vorbereitung zum Sabbat trifft.6 3. Die halbe Vesperzeit, פלג המנחה, die halbe Zeit der kleinen Vesperzeit von 9 1/2 bis 10 3/4 Tageszeit = 3 1/2 bis 4 3/5 Uhr Nachmittags bei Tag- und Nachtgleiche, die Zeit, wo man das Mincha- und Abendgebet nacheinander verrichten kann.
Symbolisch ist der Abend das Bild des Unglückes,7 des Alters8 und des Lebensendes.9 Weiter gilt der Abend als Ende der Arbeitszeit,10 wo der Mensch im Freien Erholung sucht,11 auch den Erwerb nach Hause bringt.12 Andererseits ist der Abend, wie der Morgen und Mittag, die Zeit des Gebets.13 Die Agada (s. d. A.) knüpft an die symbolische Bedeutung des Abends mehrere Lehren an. Der Abend, das Abnehmen des Tages, wird als Bild des Abends und der Verdunkelung in des Menschen Geiste gebraucht, die in Folge der Sünde eintritt. Adam, heißt es, sah nach seinem Sündeufalle den Abend heranrücken, er erschrack und sprach: »o, das Alles meiner Sünden wegen! wird die Welt durch mich zerstört?« Er weinte die ganze Nacht, bis der Morgen anbrach, wo er Gott ein Dankopfer darbrachte.14 Eine andere Stelle: »Es ward Abend,«15 das sind die Handlungen des Frevlers; »es ward Morgen,« das sind die Hantlungen des Gerechten.16 Ferner: »Am Morgen blüht er auf und wechselt an Kraft,«17 das ist das Leben des Gerechten; »am Abend dorrt und welkt er,«18 das ist das Geschick des Frevlers.19 Doch ist der Abend auch das Bild des Trostes und der Beruhigung, aber nur für den Frommen und schuldlos Leidenden. »Zur Zeit des Abends wird Licht sein« d. i. ehe die Sonne untergeht, wird den Israeliten das Licht leuchten.«20 »Am Abend übernachtet er in Thränen«21 d. i. diese Welt; »aber am Morgen Jubel« d. i. das Jenseits. Der Eintritt des Abends wird daber auch als Mahnbild für den Menschen zu Gebetserhebungen. »Warum geht die Sonne am Morgen auf und neigt sich des Abends? Um Gott Dank abzustatten!«22 »Dreimal ändert sich der Tag, dreimal sollen wir beten. Am Morgen: »Ich danke dir, Herr, du zogst mich aus der Finsterniß zum Lichte;« am Mittag: »Herr, wie du mich die Sonne in ihrer Gluth sehen ließest, so zeige sie mir, wenn sie sich
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1Nach der Lehre der Pharisäer.
2Spr. Sal. 7. 9.
3Hiob 24. 15.
4Sach. 14. 7.
5Orachchajim 261.
6Joseph. Antt. 16, 6. 2. berichtet von einem römischen Gesetz, daß man die Juden nicht zwinge am Sabbat und während dessen Verbereitung von der 9. Tagesstunde an = 3 Uhr Freitags vor Gericht zu erscheinen.
7Jerem. 6. 4.
8Kohel. 11. 6.
9Ps. 90. 6.
10Ps. 104. 23; Richter 19. 16.
11 1 M. 24, 63.
12 1 M. 49. Psalm 104, 23.
13Ps. und Daniel.
14Abodasara 8 a.
15 1 M. 1. 5.
16Midr. r. 1 M. Absch. 3.
17Ps. 90, 6.
18Das.
19Jalkut zu Ps. 90.
20Jalkut II. 585.
21Ps, 30, 6.
22Sanhedrin 91.
senkt und untergeht!« am Abend endlich: »Gott, daß ich wieder die Sonne in ihrem Aufgange erlebe!« Mehreres siehe Tag.
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1Tanchuma zu חיי שרה p. 28.