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Abbahu, אבהו

Posted 2 mos ago

Abbahu, אבהו. Gesetzes- und Volkslehrer, Amora10 des dritten Amorageschlechts in Israel, Schüler des R. Jochanan,11 Freund und College des R. Ami und R. Assi,12 von 279 — 320 n., eine seiner Zeit sehr geachtete Persönlichkeit, die griechische Bildung und jüdisches Wissen in sich vereinigte und so das Judemhum nach Außen würdevoll repräsentirte. »Es ist gut, dieses zu ergreifen (das Halachastudium) und von dem Andern (griechische Bildung) nicht zu lassen, denn der Gottesfürchtige versteht Allen zu genügen«, war der Spruch, wie man die Erscheinung Abbahus bezeichnete.13 Ein echter Jünger R. Jochanans, gehörte er zu den Männern, die durch Vertrautheit mit der Zeitbildung, sowie durch seine Sitte und Bescheidenheit Achtung nach Außen sich errangen und so manche Angriffe auf das Judenthum zurückzuweisen im Stande waren. Hierzu gesellten sich bei ihm seine schöne imponirende äußere Gestalt14 und die Milde seines Wesens, die ihm bei den römischen Behörden, besonders bei dem damaligen Prokonsul Anthypatos in Cäsarea, einführten, dessen Gunst er sich erfreute.15 Das Judenthum mit seinen Institutionen war um diese Zeit öfters bald dem höhnenden Witz der spöttelnden Römer, bald den polemischen Angriffen des immer weiter sich ausbreitenden Christenthums ausgesetzt. Er selbst entwirft uns hiervon das Bild. Es wird, erzählt er, im Cirens ein Kameel mit einer schwarzen Decke vorgeführt, worauf sich das Gespräch entspinnt: »Warum trauert das Kameel? Weil die Juden am Sabbatjahre nicht einmal Kräuter genießen,17 sondern sich an Disteln sättigen und so die Nahrung dem Kameel entreißen.« Darauf tritt ein Possenreißer mit geschornem Haupt auf und ein anderes Gespräch beginnt. »Warum trauerst du? Weil das Oel sehr theuer ist. Weßhalb dies? Die Juden verzehren am Sabbat Alles, was sie am Werketage erarbeiten. Aus Mangel an Holz verbrennen sie alsdann das Bett und müssen auf der Erde schlafen, weßhalb sie zu ihrer Reinigung viel Oel branchen und dasselbe vertheuern.«18 Das Patriarchat,19 sonst stark und angesehen, war unter R. Gamliel IV., der um diese Zeit
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10 Siehe: Amora.
11 Gittin 44 b. Cholin 110 a. Aboda sara 26 a. Er war dessen Liebling und wurde von ihm »mein Sohn« genannt. Jerus. Berachoth Absch. 2. S. 4 b. Doch trug er auch die Lehren des R. Simon b. Lakisch, des R. Elasar, des R. Jose b.Chamina vor. 12 Jebamoth 65 a.
13 Midr. zu Koheleth 7. 18.
14 Baba mezia 84 a. Baba bathra 58 a. Kethuboth 62 a.
15 Chagiga 14 a. Sanhedrin 14 a. In Midr. r. Absch. 63. u. Jerus. Therumoth am Ende wird sogar von seinem Verkehr mit Dioklet gesprochen, was jedoch, wie Jost schon bemerkt, nichts als Sage bleibt. Andere Stellen Sanhedrin 14, Kethuboth 17, Jebamoth 86, Chagiga 14 nennen eine Matrone aus dem kaiserlichen Hause, bei der er in hohem Ansehen stand.
17 Nach 3 M. 25, 5. soll das, was als Nachwuchs auf dem Felde am Sabbatjahr wächst, von dem Besitzer nicht geerntet, sondern für Alle, auch für das Thier frei gelassen werden. Also jedenfalls eine unrichtige Darstellung.
18 Midr. r. 1. M. Absch. 52. 53. u. zu Klgld. 3. 1. 2.
19 Siehe Patriarchenwürde, Nassi.


diese Würde bekleidete, so unselbstständig, daß Abbahu sich genöthigt sah, ihm auf seine Anfragen auch das Erlaubte zu verbieten.1 Solche Erniedrigung seiner Religion und ihrer Bekenner schmerzte ihn tief; er machte sich die Vertheidigung und Wiedererhebung derselben zur Lebensausgabe. In Cäsarea, dem Sitze des römischen Prokonsuls,2 wohnte er und hatte die Anfertigung von Frauenschleiern zum Gewerbe,3 besaß einigen Reichthum,4 ließ seine Tochter im Griechischen unterrichten und in seinem Hause herrschte ein feiner Ton.5 Seine eigene Ansbildung erhielt er im Lehrhause des R. Jochanan zu Tiberia,6 an dem er noch später mit Pietät hing und es öfter wieder aufsuchte. 7 Er wurde früh ordinirt,8 aber lehnte aus Rücksicht gegen den in Armuth lebenden Gesetzeslehrer Abba aus Akko die auf ihn getroffene Wahl zum Schuloberhaupte in Cäsarea ab. An der Seite dieses Mannes entfaltete er seine Thätigkeit als Gesetzeslehrer; er hielt seine Vorträge in jener alten Synagoge Cäsareas, die den Anlaß zum Ausbruch des Krieges gegen die Römer gegeben hatte und deßhalb: »Aufruhr-Synagoge« hieß.10 Doch treffen wir ihn auch im Süden,11 in Bozra12 und in Alexandrien13 als Gesetzeslehrer thätig. Von seinen Hauptarbeiten nennen wir erst seine Kämpfe gegen das Christenthum, das fortwährend seine Angriffe auf das Judeuthum erneuerte. Die Christen, wahrscheinlich Judenchristen, gegen die er spricht, heißen in den uns erhaltenen Bruchstücken solcher Diskussionen: »Minin« Sectirer, eine Benennung für alle Secten, die mehr oder weniger von den Lehren des Judenthums abfielen.14 Wir bringen von denselben; »Nur euch habe ich erwählt von allen Familien der Erde, darum ahnde ich alle eure Vergehungen« (Amos 3. 5.), was ist das für Erwählung, der Strafe folgt? war die Frage der Minin erst an R. Saphra, dann an Abbahu. »Wer ein ungehorsames Roß hat, wird er es nicht in Liebe zu lenken und zu bessern suchen? Er antwortete: »So Jemand Schulden bei einem Freunde und einem Feinde ansstehen hat und von Ersterm die Zahlung allmählich, aber von Letzterm auf einmal fordert, ist dies bei Ersterm kein Beweis der Liebes?«15 Gegen die Dreieinigkeit knüpfte er an den ersten Ausspruch des Dekalogs an: »Ich bin der Ewige dein Gott« d. h. der Mensch hat einen Vater, einen Sohn und einen Bruder, aber Gott sprach: »ich der Erste« und habe keinen Vater; »ich der Letzte« und habe keinen Sohn und ohne mich kein Gott« ich habe keinen Bruder!16 Mit Bezug auf 4 M. 23, 19. wiederholte er diese Lehre: »Sagt dir ein Mensch: »ich bin Gott!« lügt er; »ich bin der Menschensohn!« wird er es bereuen; »ich steige in den Himmel!« so spricht er, »aber es geschicht nicht.«17 Gegen die christliche Deutung des Verses: »Und er, Enoch, war nicht, denn Gott hat ihn genommen,«18 als Beweis einer Himmelfahrt, brachte er Beweise, daß dies nichts weiter als eine Redefigur für »sterben« sei.19 Den gewöhnlichen Angriff der Minäer auf den Glauben an Gottes Güte unter Hinweisung auf Ezechiel 4., wo Gott den Propheten nach Launen bald auf der rechten Hand, bald auf der linken zu liegen befiehlt, weist er geschickt ganz in christlichem Sinne zurück, daß es ein Beweis der göttlichen Liebe ist, wenn die Sünden Vieler durch Bestrafung Eines gesühnt werden.20 Ein zweiter Angriff auf den Unsterblichkeitsglauben der Juden, die Seelen der Verstorbenen werden unter dem Throne der Gottesherrlichkeit aufbewahrt, lautete: wie wäre die Heraufbeschwörung Samuels durch die Zauberin möglich gewesen? Diesen beantwortete er, daß sie in den zwölf Monaten stattfand, wo die Seele bald oben, bald unten ist.21 Den Unterschied zwischen Heidenthum und Judenthum stellt er
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1 Aboda sara Absch. 1. Halacha 1.
2 Jerus. Sanh. 1. 1. Siehe: Cäsarea.
3 Sabbath 119 a. Jerus. Beza 1. 8; das. Baba mezia 3. am Ende desselben Abschnittes.
4 Das.
5 Jerus. Sabbath 3. 1. Sotah am Ende.
6 Jerus. Pesachim Absch. 3. S. 47. 3. das. Schekalim Absch. 3. 47. 3.
7 Kethuboth 62. Jerus. Beza Absch. 1. 6.
8 Sanhedrin 14 a. Jerus,. Biccurim.
9 Sota 40 a.
10 Jerus. Berachoth 3. 1. Joseph b. j. II. 14. 4.
11 Jerus. Berachoth Absch. 8, 1. Erubin 53. b.
12 Jerus. Sabbath Absch. 3. 1.
13 Jerus. Erubin Absch. 3. am Ende. Siehe: Alexandrien.
14 Siehe Christenthum.
15 Aboda sara 4 a.
16 Midr. r. 2 M. Absch, 29. nach der correkten Leseart in dem Commentar das. Jede Mosche.
17 Jerus. Taanith II. 9 und Midr. r. zur Stelle.
18 1 M. 5, 24.
19 Midr. r. 1 M. Absch. 25.
20 Sanhedrin 39 a.
21 Sabbath 152


kurz dar: »Die Völker wählten sich die Diener Gottes zur Verehrung: die Sonne, den Mond, Holz und Stein, u. s. w., aber Israel Gott allein, denn also heißt es: »mein Theil, der Ewige! spricht meine Seele.«1 Welchen gewaltigen Einfluß seine Worte hatten und wie gefürchtet er bei den Judenchristen war, geht aus einem Bericht hervor, wo erzählt wird, daß die Minin, Judenchristen, ihm nach dem Leben trachteten, und wirklich wäre er durch den Judenchristen Jakob,2 von dem er sich ärztlich behandeln liess, vergiftet worden, hätten seine Collegen R. Ami und R. Assi ihn nicht noch zur Zeit vor dem Gebrauch des Medikaments gewarnt.3 Aber nicht blos Furcht, sondern auch Achtung verstand er sich bei seinen Gegnern zu erringen. Wie hoch er in derselben bei den Judenchristen stand, erkennen wir daraus, daß sie einem R. Saphra, der ihnen als tüchtiger Gelehrter von Abbahu vorgestellt wurde, einen 13jährigen Rückstand von Abgaben erließen.4 Andererseits ordnete er aus Rücksicht gegen die Judenchristen an, daß man den Vers! »Gepriesen sei die Herrlichkeit seines Reiches immer und ewig!« in dem Schma-Gebet (s. d. A.), der auf den ersten Ausspruch des Bekenntnisses der Einheit Gottes »Schema Israel« folgte und still gebetet wurde, laut sprechen soll, damit es nicht aussehe, daß von den Juden nach dem Bekenntniß der Gotteseinheit der Dreieinigkeitsglaube gelästert werde.5 Wie diese seine Thätigkeit nach Außen, so segensreich war sie nach Innen, innerhalb des Judenthums. Nach dem Tode R. Eleasar wurde Abbahu als Dritter in das Richtercollegium des R. Ami und R. Assi gewählt. Als solchen sehen wir ihn mehrere Mißbräuche abstellen. Die Meturgeman, Verdolmetscher und Erklärer,6 deren man sich in großen Lehrversammlungen bei Vorträgen bediente, mißbrauchten ihre Stellung und trugen oft dem Volke durch Zusätze und willkürliche Uebertragung des Gehörten die Lehren entstellt und in ganz anderm Sinne vor. Gegen dieselben war seine Verordnung, daß kein Meturgeman vor zurückgelegtem 50. Jahre, und wenn er nicht schon in Ansehen steht, angestellt werde.7 Ein anderer Schritt von ihm war gegen die Samaritaner, die heidn. Wein, der zum Götzendienst bestimmt war, den Juden verkauften. Er erklärte sie gleich Heiden und verbot ihren Wein.8 Als Gegenstück gegen diese Strenge ist sein Verkehr mit seinen Collegen, der uns die andere Seite seines Characters, der Milde und Bescheidenheit, offenbart. Mit Chia bar Abba hielt er einst in einer Stadt Vorträge, Ersterer in Halacha, aber er in Agada. Da erfreuten sich seine erbaulichen Vorträge eines großen Publikums, während die des Andern wenig besucht waren. Chia fühlte sich darüber gekränkt, den Ahbahu in einem Vortrage beruhigte; er verglich seinen Vortrag mit einem Kram voll Flitter, wozu sich gewöhnlich viele Käufer einfinden, dagegen die Lehren seines Freundes Chia mit seltenen Edelsteinen, auf deren Ankauf sich nur Wenige verstehen.9 Scharf rügte ihm sein Zeitgenosse R. Simon die Einführung des Griechischen in sein Haus, daß er seine Töchter in der griechischen Sprache unterrichten ließ und stellte einen von ihm darüber zitirten Ausspruch über das Erlaubtsein desselben in Abrede. Abbahu betheuerte voll Bescheidenheit wiederholt, jenen Ausspruch selbst von R. Jochanan gehört zu haben.10 Für seine Collegen R. Ami, R. Assi und R. Chia, die über ein Frauenzimmer Thamar wegen verletzter Sittlichkeit harte Strafen verhängten, das sich deshalb an die römische Behörde wandte, verwendete er sich bei dem Prokonsul, wenn auch ohne Erfolg.11 Gegenüber den Klagen seiner Frau, die Frau eines Amora hätte gesagt, man achte Abbahu nur wegen seines Ansehens bei der römischen Behörde, aber nicht in Folge seiner Gelehrsamkeit, hatte er die Antwort: »Was liegt daran, wenn durch ihn und mich der Höchste gepriesen wird!«12 Wie hoch er thatsächlich über seinen Zeitgenossen stand, darüber dieses Beispiel. In der Zeit eines starken Regenmangels wurde Abbahu
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1 Midr. r. zu Klgld. S. 76. voce הסד ה.
2 S. d. A.
3 Aboda sara 28.
4 Das. 4a
5 Pesachim 56 a. Nach Frankel in Mebo Jeruschalmi.
6 Siehe: Amora.
7 Chagiga 14 a.
8 Cholin 6 b. Jerus. Abodasara V. 4.
9 Sote 40 a.
10 Jerus. Sabbath III. 1. Sote 40 a.
11 Jerus. Megilla III. 1. Ueber ben Stil des hebräischen Briefes von R. Abbahu siehe: Neuhebräische Poesie.
12 Sote 40 a.


ersucht, die üblichen Gebete anzuorduen, zu deren Vortrag man ihm einen Menschen aus der niedrigsten Volksschichte, der unter dem Namen: »Fünfsünder« berüchtigt war, vorstellte, Abbahu stutzte anfangs, aber bald nach einer Unterredung mit ihm erklärte er ihn als den allein hierzu würdigen. »Ich bin, erzählte er, ein Unterhändler mit Dirnen, habe das Theater zu putzen, die Kleider in die Bäder zu tragen und verstehe durch meine Possen und mein Flötenspiel die Menge zu belustigen.« Auf die Frage, ob er nie etwas Gutes verübt habe, sprach er weiter: »Bei der Theaterreinigung erblickte ich eines Tages eine bekümmerte, sehr trauernde Frau, gelehnt an eine Säule. Ich frug sie nach dem Grund ihres Kummers und sie erzählte, wie ihr Mann als Gefangener schmachte und ihr zur Aufbringung des geforderten Erlöses kein anderes Mittel übrig bleibe, als ihre Ehre preiszugeben. Das rührte mich so sehr, daß ich meine ganze Habe verkaufte und ihr das Lösegeld verschaffte.« Da rief Abbahu ihm zu: »Du allein bist würdig für uns zu beten!«1 solche Bescheidenheit gewann ihm die Herzen Aller, so daß seine Collegen später ihm nicht einmal bei einem Irrthume zu widersprechen wagten.2 Er war in der Halacha keine Autorität, sein Gebiet war mehr die Agada, aber er verstand auch in halachischen Diskussionen seine Collegen hart anzugreifen3 und nicht ohne Bedeutung sich hervorzuthun.4 Sein Familienleben war ein glückliches. Außer seinen Töchtern werden zwei Söhne Seira und Chanina genannt, von denen Letzterer sich ganz den Werken der Menschenliebe widmete.6 Heiter und zufrieden treffen wir ihn daher in den letzten Tagen seines Lebens, wo er in dankbarer Rührung die Worte sprach: »Alles dies deinem Abbahu!« »Ich dachte vergeblich meine Mühe, nichtig die Anstrengung meiner Kraft, aber du, Gott, führtest meine Sache!«7 So hören wir ihn seinen Freunden, die ihm nach dem Tode eines Kindes zu trösten kamen, zurufen: »Wenn wir den Urtheilsspruch der menschlichen Obrigkeit als gerecht anerkennen, sollte nicht die göttliche Verhängung über uns gerecht sein!«8 Er starb und sein Tod wurde allgemein betrauert. »Am Tage seines Dahinscheidens, heißt es bildlich, vergossen die Säulen seines Lehrhauses in Cäsarea Thränen.«9 Wir lessen hier noch zum Schlusse Einiges seiner Lehren aus dem Gebiete der Ethik und der Glaubenslehre folgen. »Stets sei der Mensch von den Verfolgten, aber nicht von den Verfolgern.«10 »Der Mensch flöße nie zu viel Furcht seinen Hausleuten ein, damit sie aus Angst nichts Unwürdiges vollziehen.«11 »Besser eine Sünde heimlich begehen als den Namen Gottes öffentlich zu entheiligen.«12 »An der Stelle, wo die Bußfertigen stehen, können nicht einmal die vollkommenen Gerechten stehen.«13 Letzteres galt besonders den Heiden, die sich zum Judenthume bekehrten. »Kehret wieder, die unter seinem Schatten weilen, das sind die Proselyten, welche Gottes Schutz und Liebe aufsuchen.«14 »Lieb sind nur, spricht Gott, die Namen der Proselyten wie der Wein als Trankopfer auf dem Altar.«15 Vielleicht haben wir in diesen Sätzen eine Andeutung von dem erneuerten Andrang der Heiden zum Judeuthume, die durch die kulturfreundlichen Bestrebungen Abbahus leicht denkbar ist. Gegen den Glauben an Träume war sein Spruch: »Träume können uns weder nützen, noch schaden.«16 Die Ehe in Bezug auf das Zusammenfinden ihrer beiden Theile, des Mannes und Weibes, ist nach ihm eine göttliche Bestimmung. »Bald sucht der Mann das Weib auf, bald muß das Weib den Mann auffinden.«17 Die Elternverehrung lehrt er nach dem Beispiele eines Ben Dama, der seinen Vater vom Schlafe bei noch so großem Verluste nicht stören wollte.18 Ueber das Verhältniß zwischen Lehrer und Schüler hören wir
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1 Jerus. Thaanith 1. 4.
2 Joma 73. Jebamoth 65.
3 Sahbalth 62. Sebachim 11. Sanhedrin 3. mit der gewöhnlichen Bezeichnung מנדף בהו ר אבהו.
4 Abodasara 1. 1.
5 Midr. r zu Koheleth בקי במשנה ומקרא.
6 Jerus. Chagiga 1. 2. Schon in Tiberias, wohin ihn der Vater zur Ausbildung sandte, gab er sich der Beschäftigung mit Leichenbestattung hin, so daß sein Vater witzig an ihn das Wertspiel schrieb: »Gab es keine Gräber in Cäsarea, daß du nach Tiberias gingst.
7 Midr. r. und Tanchuma zu Vaichi.
8 Jerus. Sanhedrin Absch. 6 am Ende.
9 Moed. Katon 25 a.
10 Baba kama 93.
11 Gittin 7.
12 Pesachim 56.
13 Sanhedrin 99.
14 Midr. r. 3 M. Absch. 5.
15 Das.
16 Midr. r. 1 M. Absch. 89.
17 Das. Absch. 68.
18 Das. 5 M. Absch. 2.


ihn: »Der Lehrer sitze nicht auf einem Stuhl und sein Schüler auf der Erde und unterrichte.« »Wer dem Lehrer Böses nachdenkt, ist, als wenn er Gott Böses nachgedacht hätte.«2 Die Wohlthätigkeit will er in der ansgedehntesten Weise geübt wissen, auch auf Betrüger, damit wir nicht irrthümlich auch den wahrhaft Dürftigen von uns weisen.«3 Den Psalmvers 112. 9.: »Das Geld gab er den Dürftigen, sein Wohlthun bleibt ewig, sein Heileshorn erhebt er in Ehren« galt ihm als Beweis der Wichtigkeit der Wohlthätigkeit.4 Ebenso bedeutsam sind seine Lehren über das specielle Religiöse. »Gott« lehrt er nicht blos als ein Sein in philosophischem Sinne, sondern als ein stets wirksames, über die Geschicke jedes Einzelnen wachendes Wesen.5 In seinen Lehren über die Schöpfungsdarstellung im ersten Buch Mosis erkennen wir die Polemik gegen gnostische Anschauungen von einem Demiurgos, Mitschöpfer, der Annahme eines Urstoffes und die gegenüber demselben völlige Unfreiheit Gottes. Gegen Ersteres lehrte er: »Nicht mit Mühe und Arbeit, sondern nur durch das Wort schuf Gott seine Welt und schon war der Himmel gemacht.«6 Gegen das Zweite war die Erklärung der hebräischen Ausdrücke in 1 M. 1, 2. »Tohu we Bohu« תהו ובהו »öde und wüste« als Adjektive des Zustandes der Erde nach ihrer Schöpfung.7 Gegen das Dritte endlich: »Gott schuf Welten und zerstörte sie, diese gefielen und jene nicht.«8 Klassisch ist seine Darstellung der Geschicke Israels vorbildlich gezeichnet in der biblischen Erzählung von dem ersten Menschen. »Wie Gott Adam in das Paradies, den Garten Eden, einziehen ließ, ihm dort Befehle ertheilte, er dieselben übertrat und aus dem Paradies gewiesen wurde, so zog Israel in Kanaan ein, erhielt Gesetze, übertrat dieselben und mußte ins Exil.« Zum Schlusse noch seine Lehren über Tod, Jenseits und Auferstehung. Der Tod zur bestimmten Zeit erscheint ihm gleich dem Abpflücken der Frucht vom Banme nach ihrer Reife, das für den Baum und für sie gut ist.10 Ueber den Zustand des Menschen nach dem Tode: »In den ersten 12 Monaten bleibt der Körper unrien und die Seele steigt bald hinauf, bald hernieder, aber nach dieser Zeit ist der Körper verwest und die Seele bleibt oben.«11 Die Auferstehung wird nach ihm, nur den Gerechten zu Theil.12 Der Regen, der das Wachsthum erfrischt und auferstehen läßt, erscheint ihm als Bild der Auferstehung, aber in bedeutsamerer Wirkung, weil derselbe den Gerechten und Frevlern zu Gute kommt.13 Auf die Frage: Wer des Jenseits theilhaftig werde? lautete seine Antwort; wer schon hier als Sohn des Jenseits gelebt und als solcher geachtet wurde. »Wie ihn die Menschen hier halten, so wird er dort gehalten.«14 Seine Schüler, die Träger seiner Lehren, waren: R. Seira, R. Jona, R. Jose u. a. M.
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1 Megilla 21.
2 Sanh. 110 b.
3 Baba bathra 10.
4 Midr. r. Hohld. S. 47.
5 Nidda 31.
6 Midr. e. 1 M. Absch. 9.
7 Das. Absch. 2, siehe: Gnostizismus.
8 Das. Absch. 9.
9 Das. Abscb. 19.
10 Midr. r. zum Hohld. S. 31 b.
11 Sabbath 152.
12 Taanith 7.
13 Das. גדול יום הגשמים מתהיה שוה לצדיקים ולרשעים.
14 Baba bathra 10. כי היכי דחשבינן התם ‏ הכי חשבינן.