Abaji, אביי
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Abaji, אביי (mein Vater)5 auch: Nachmani, נחמני, (mein Trost). Gesetzeslehrer, Amora, (s. d. A.) des dritten babyl. Amorageschlechts (280 — 338.), Sohn Kailils,6 Schüler seines Oheims Rabba bar Nachmani7 und des Rab Joseph,8 Freund und College Rabas, später das Schuloberhaupt zu Pumbadita,9 ein Mann, der wegen seines versöhnlichen Characters auch bei Nichtjuden in hohem Ansehen stand.10 Früh elternlos11 genoß er bei seinem Oheim Rabba b. N. eine sorgfältige Erziehung. Seiner Pflegerin, die er: »Mutter« nennt, gedenkt er später noch und verabsäumt nicht bei Gelegenheit sich ihrer sympathischen und diätetischen Heilmittel zu erinnern.12 Ungewöhnliche Geistesgaben verrieth er schon in der Jugend, von denen sein Oheim hoffnungsvoll sprach: »Was eine Melone werden soll, erkennt man schon an der Knospe!«13 Dieser bemühte sich den Scharfsinn seines Neffen noch dadurch zu wecken, daß er in seiner Gegenwart oft das Gegentheil von dem ausführen ließ, was er früher gelehrt hatte. Jedesmal stutzte Abaji und rief: »Du hast doch anders gelehrt!« Rasch entwickelte sich Abaji zu einem tiefen Denker,15 den man: »Guter Kopf«16 nannte und dem nicht selten auch Raba zurief: »Du hast Recht, Nachmani!«17 »Du überstürzest mich, Nachmani, mit der Halacha!18 So stand der Mann da, der in Gemeinschaft mit Raba berufen war, dem Talmudstudium durch neue Methode frischen Aufschwung zu geben. Dieselbe bestand in der Wahl beliebiger halachischen Themata, die durch scharfsinnige Discussion nach bestimmten Gesetzen erörtert wurden. Diese Discussionsweise war unter dem Namen: »Havajoth d' Abaji we Raba« bekannt, eine Benennung, die später auf den ganzen babylonischen Talmud überging.19 Nach dem Tode Rab Josephs, des Schuloberhauptes am Lehrhause zu
5 Baba mezia 84 a statt אבאי mit Verwandlung des א in י wie זכאי in זכייה, er trug den Mamen seines Vaters Nachmani und wurde von ihm: »mein Vater«, אביי, genannt.
6 Gittin 34. 48. Kethuboth 65.
7 S.d. A.
8 S.d. A.
9 Ende Horajoth.
10 Gittin 45. die Samaritaner sandten ihm das Verlorene zurück ohne Forderung eines Zeichens.
11 Es starb vor seiner Geburt: der Vater und nach derselben die Mutter.
12 Sabbath 68 b. 133 b. 134 a. Erubin 29 b. 65 b.
13 Berachoth 48. Cholin 43. Megilla 25 a. Jebamoth 25 a. Joma 75 b.
14 An vielen Stellen רבה לחדודי דאביי הוא דבעי.
15 Kidduschin 24 a. Sote 54 a. Erubin 30. Horajoth 14 b.
16 Jebamoth 78. Erubin 22. קרקפנא.
17 Sabbath 74 a. Nedarim 54.
16 Aboda sara 58 a. אקפני נחמני בהלכה.
19 Sanh. 26 a. In derselben unterschied sich Raba von Abaji dadurch, daß Ersterer die handelnde Persönlichkeit in Betracht zog, aber Letzterer nur die That in ihrer reinen Objektivität gelten läßt. Es wird daselbst die Frage erörtert, ob die Unzulässigkeit zur Zeugenaussage eines der falschen Zeugenschaft Ueberführten mit dem Augenblick der Ueberführung oder schon früher in dem Moment der falschen Aussage eintrete. Abaji entscheidet sich für Letzteres, weil das Objekt der falschen Zeugenschaft schon mit der Aussage fertig ist, folglich von da ab die Unzulässigkeit für fernere Zeugenaussage zu rechnen sei. Dagegen ist nach Raba, der mehr die handelnde Persönlichkeit in Betracht zieht, die Zeit der Unzulässigkeit für fernere Zeugenaussage erst im Augenblick der Ueberführung, wo dieselbe des Frevels überführt wird, und der Strafe anheim fällt.
Pumbadita wurde Abaji in Folge einer Disputation au dessen Stelle gewählt.1 Doch war er in diesem Wirkungskreise nicht sonderlich glücklich. Nur 5 Jahre, von 333 - 338, und in einem Schülerkreis von kaum 200 dauerte seine Wirksamkeit.2 Von seinem Privatleben wird erzählt, daß auf seine Tafel nie Wein kam,3 er seinen Acker durch Freigärtner bestellen ließ,4 trotz seiner Armuth keine Geschenke annahm mit Ausnahme derjenigen, die ihm als Aaroniden zukamen.5 Gerühmt wird seine Zuvorkommenheit auch gegen Heiden. Ueber Letzteres waren seine Lehren: »Stets sei der Mensch gescheidt in der Gottesfurcht, sanft im Antworten; zurückhaltend im Zorne, nach Frieden strebend mit seinen Brüdern, Verwandten und jedem Menschen, auch mit dem Heiden auf dem Markt, damit er oben geliebt, auf der Erde wohlgelitten werde und bei Allen willkommen erscheine«;6 »Liebe den Ewigen deinen Gott« d. h. es werde durch dich der Name Gottes geliebt. So Einer Kenntniß der Bibel und des Talmud besitzt, Umgang mit Weisen hat, mit Leuten in Sanfimuth verkehrt, was urtheilt die Welt über ihn? »Heil dem Vater, der ihn Thora gelehrt, heil dem Lehrer, der ihn unterrichtet, wehe dem Menschen, der keine Thora gelernt. Wie schön sind die Handlungen dieses da, wie sittlich seine Werke, über ihn heißt es: »du, Israel, bist mein Diener, dessen ich mich rühme!«7 Aber wer Kenntnisse besitzt, mit Gelehrten umgeht, doch im Verkehr mit Leuten unredlich ist, nicht in Sanftmuth mit Menschen redet, über den ist das Unheil der Welt: »wehe, er hat Thora gelernt! wehe dem Vater, der ihn unterrichten ließ! wehe dem Lehrer, der ihn so gelehrt! Sehet, wie verderbt seine Werke, wie entstellt seine Wege, über ihn heißt es: »Da man zu ihm spricht: das ist das Volk Goltes und sein Land haben sie verlassen!«8 Er ging in seiner Zuvorkommenheit so weit, daß er sich jede Ehrenbezeugung von Andern versagte. Sah er einen alten Mann kommen oder merkte er, daß dieser vor ihm aufstehen wollte, schnell reichte er ihm die Hand, um ihn nicht aufstehen zu lassen.9 Wie hoch er dadurch in Achtung bei seinen Zeitgenossen stand, erzählt die Sage, daß die Samaritaner ihm seinen verlorenen und von ihnen aufgefundenen Esel ohne Zeichenangabe zusandten mit den Worten: »Wärest du nicht Nachmani, wir hätten auch auf deine Zeichen nichts gegeben!«10 So war es ihm möglich, daß er der Verfolgung, de schon beim Leben seines Oheims Rabba, (S. d. A.) gegen das Lehrhaus und dessen Schüler eintrat, ein Ende machte, so daß die Schüler wieder ungehindert jeden Freitag ihre Heimat aufsuchen komnten.11 Mit Raba bemühte er sich, den Jüngern die Wichtigkeit des Betriebs eines Erwerbszweiges neben dem Studium des Gesetzes, um nicht von Nahrungssorgen erdrückt zu werden, einzuschärfen. »Viele richteten sich nach R. Ismael, der neben dem Gesetzesstudium auch den Landbau empfahl, und es gelang ihnen Beides, dagegen haten Viele wie R. Simon Dohn Jochai, der auf das Gesetzstudium allein drang, aber sie erreichten es nicht.«12 Seine weitere Sorge war die sittliche Führung und die lautere Gesinnung seiner Schüler zu fördern. »Der Gelehrte, sprach er, dessen Aeußeres nicht dem Innern entspricht, ist ein Gräuel.«13 Ueber den Umfang seines Wissens außerhald der Gesetzeskunde sind uns eine Menge seiner Aussprüche erhalten, die Medizinisches, sowie Naturkenntnisse14 überhaupt enthalten, aber auch viel Mystisches: über Engel, Geister u. a m. lehren. Man hat ihn wegen des Letzteren un-
1 Horajoth und Menachoth am Ende.
2 Kethuboth 103 nennt er sich wegen der geringen Schülerzahl im Verhältniß zu der seines Vorgängers: »Waisen des Verwaisten.«
3 Das, 65 a.
4 Das.
5 Cholin 133.
6 Berachoth 7.
7 Jesaia 49.
8 Joma 86.
9 Kidduschin 33 a.
10 Gittin 45.
11 Kidduschin 29 a. Pesachin 112 b. Die Stelle darüber lautet: Iggereth bath Machta (Name eines Haupdämons, aber hier die Bezeichunng des Verfolgungsedictes) zog mit einem Heere aus und begegnete Abaji unter dem Rufe: »wärest du nicht der Heilige, von dem es beißt: »Habet Acht auf Nachmani und dessen Lehre«, wir schonten nicht deiner.« Wenn ich euch so heilig bin, entgegnete er, gewahret mir die Bitte, nicht mehr anszuziehen. Sie verschwanden und kamen nicht wieder. Zum Andenken hieß es jetzt von Abaji, weil die Schüler von nun an jeden Freitag das Lehrhaus wieder verlassen konnten: »Jeden Freitag erhält Abaji einen Gruß vom Lehrhause im Himmel!«
12 Berachoth 34 b.
13 Joma 72.
14 Berachoth 59. Vergleiche hierzu den Artikel: Astronomie.
gerecht als einen dem Volksaberglauben ergebenen Mann dargestellt.1 Wir verweisen gegen diese Auffassung auf mehrere Lehren desselben gegen den Wunderglauben, die Annahme einer leiblichen Belohnung im Jenseits u. a. m., in denen er kämpfend gegen seine Zeitgenossen auftritt. Ein Lehrer rühmt einen Mann, dem Wunder zu Theil wurden, er bemerkt dagegen: »wie niedrig muß dieser stehen, wenn seinetwegen die Naturgesetze geändert werden mußten.«2 Auf die Frage, warum trotz Fasten, Beten u. s. w. keine Wunder mehr geschehen, lautete seine Antwort: »nur den Alten erschienen Wunder, weil sie ihr Leben zur Heiligung Gottes hingaben.« Er spricht somit die Möglichkeit des Wunders seiner Zeit ganz ab. (Berachoth 24 a. Taanith 24 a. Sanhedrin 106 b.) Mit nicht geringer Ironie ruft er gegen die Lehren der leiblichen Lohnverheißung im Jenseits seinem Zeitgenossen Rab Dimi zu: »Wer hat denn das Wasser mit seiner Hand gemessen und den Himmel mit dem Zirkel bestimmt!«3 Man machte ihm sogar Vorwürfe, daß er die Agadavorträge über die leibliche jenseitige Belohnung nicht hören wollte.4 Mit Raba kämpft er gegen die Traumdeutung und macht einen Traumdeuter Bar Hadio lächerlich, der auf Verlangen einen Traum verschieden, je nach dem erhaltenen Lohn, deutete.5 In einer andern Diskussion ist er gegen die Lehre des Rab Joseph, daß das Sirachbuch »Ben Sira« zu den Schriften der Sectirer, Minin, gehöre, die zum Lesen verboten sind.6 Ueber seine medizinischen Anssprüche verweisen wir auf den Artikel; »Medizin« und bemerken, daß man jede wissenschaftliche Leistung nach ihrer Zeit zu beurtheilen habe. Wir heben hier seinen Spruch hervor: »Alles, was zur Heilung gehört, ist nichts dabei von heidnischen Sitten« (Sabbath). Ebenso sind seine Lehren über Dämonologie (s. d. A) zu betrachten. Wie sehr wir es hier mit einem Manne starken Geistes zu thun haben, beweist sein Kampf um die Gleichstellung Babyloniens mit Israel, »Ich bin gleich Ben Asai auf den öffentlichen Plätzen Tiberias!«7 »Einer von uns ist mehr als zwei von ihnen, den Lehrern im Land Israel!«8 waren seine Aussprüche. Wir werden ihn wahrhaft bewundern, wenn wir hierzu seine drückenden Verhältnisse mit in Betracht ziehen. Er lebte in tiefer Armuth und war körperlich so sehr geschwächt, daß er oft den Priestersegen in den Synagogen nicht sprechen konnte.9 Erst im Alter, wo er die reiche Enkelin des R. Jura I. die zwei mal verwittwete Chama heirathete, gestaltete es sich bei ihm günstiger. 10 Aber nicht lange ersreckte er sich dieses Glückes, er starb bald darauf im kaum 60. Jahre.11 Sein Tod wurde sehr betrauert; es hieß über ihn: »Abaji war ein Mann, der Lehre mit Wohlthun verband.«12 Nur von seinem Freunde Raba wurde er überragt,13 da er nicht die gesuchte und klügelnde Auslegung liebte. Er strebte überall den rationellen Grund des Gesetzes nachzuweisen und wo er diesen nicht fand, war sein Spruch: Die Tradition lehre ich, den Grund davon weiß ich nicht. Hoch achtete er seine Vorgänger und die ersten Lehrer erschienen ihm als unerreichbare Geistesgrößen.15 Andererseits war ihm auch an der Gegenwart das Volksleben mit seinen Gebräuchen und Satzungen ein heiliges Buch, das er bei seinen Entscheidungen zu Rathe zog. »Siehe was das Volk draußen thut« war sein öfterer Ausruf in zweifelhaften Fällen.16 In diesem Geiste wirkten theilweise noch später seine acht Genossen17 und 65 Schüler.18 Von den Entscheidungen, in denen
1 Josl, Geschichte des Judenthums B. II. S. 191.
2 Sabbath 53. כמה גרועה אדם זה שנשתנו עליו סדרי מעשה בראשית
3 Sanhedrin 100 a.
4 Daselbst die Lehre von den Welten, die des Gerechten warten.
5 Sanhedrin 100 b.
6 Das. Siehe Sirach.
7 Kidduschin 24., Sole 45.
8 Kethuboth 75.
9 Cholin 133. nach Alphasi und Ascheri.
10 Jebamoth 64. Kelthuboth 65.
11 Das. 115
12 Jebamoth 105 a.
13 Baha bathra 22 a. Charakteristisch darüber ist der Ruf: »Während ihr die Knochen abnaget in der Hochschule Abajis, wäre es besser, daß ihr das Fleisch im Lehrhause Rabas genossen hättet.«
14 Joma 14 b. 33 a. גמרא גמירנא סברא לא ידענא:.
15 Erubin 53 a. לבם של ראשונים כפתחו של אולם. »Das Herz, der Verstand unserer Ersten war wie die Pforte der Säulenhalle des Tempels, das der Spätern glich der Thüre zum innern Tempelraume, aber das unsrige ist kaum wie eine Spalte für einen Nagel.«
16 Berachoth 45 a. Erubin 14. Pesachim 54. Menachoth 53 פוק חזי מה עמא דבר.
17 Siehe: Talmudschulen.
18 Das.
er von Raba abweicht, erhielten nur sechs Gesetzeskraft.1 Wir nennen hier zum Schluß noch einige seiner Sprüche, die uns einen Einblick in seine Weltkenntnisse und Weltbeurtheilung eröffnen. Dieselben sind: »Was ein Kiud spricht, ist entweder von seinem Vater oder von seiner Mutter«2; »Wehe dem Frevler, wehe seinem Nachbar!«3 »Die Welt, wenn noch so schlecht, hat immer die Anzahl von Gerechten (31), die zum Bestand der Gesellschaft nöthig sind«4; »An einem Orte, wo es einen Mann, Anführer, giebt, wolle du keiner sein«.5 Mehreres siehe: Raba, Babylonien, Talmudschulen, Halacha.
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1 Kidduschin 52 a. Baba Kama 73 a. Baba mezia 22 b. Sanhedrin 27 a. Die sechs waren: י''ע''ל ק"ג"ם Siehe: Halacha.
2 Sanh. 56 b.
3 Das.
4 Das. 45.
5 Berachoth 63.
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