Schule

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Volksschule, Kinderschule.

I. Ihre Entstehung und weitere Ge­schichte. Die Errichtung von Kinder­schulen im jüdischen Altertum für den gemeinsamen Unterricht der Kinder der Ortsangehörigen war erst eine nachbiblische Schöpfung; im biblischen Schrifttum kommt hiervon noch nichts vor. Der Kinderunterricht wird zwar an mehreren Stellen im Pentateuch zur Pflicht gemacht, aber derselbe wurde von den Eltern selbst oder von anderen Familienangehörigen erteilt; jeder Va­ter sorgte für die Ausbildung seiner Kinder. Hatten die Leviten, die Priester und die Propheten auch die Pflicht, die Ausbreitung der Gesetzeskunde und der Lehre zu besorgen, so war dies doch nur für Erwachsene, eigentliche Schulen gab es nicht. Erst dem zweiten jüdischen Staatsleben in Palästina war die Gründung von Kinderschulen vor­behalten. Im Anfang des letzten Jahr­hunderts v. hat der Synhedrialpräsident Simon ben Schetach in Betracht der Unvollständigkeit des Jugendunter­richts durch die Eltern und der völligen Ermangelung desselben bei Verwaisten u. a. m. die Bestimmung getroffen, dass die Kinder den Unterricht gemeinsam in Schulen erhalten sollen. So entstand die Kinderschule. Eine Erneuerung und Erweiterung erhielt diese Verordnung durch den Hohenpriester Josua ben Gamla, der gegen 70 n. Schulen an al­len von Juden bewohnten Ortschaften errichten ließ. Der Bericht darüber lau­tet: »Es möge dieses Mannes nur zum Guten gedacht werden, Josua ben Gamla heißt er; lebte er nicht, die Thora wäre in Israel vergessen wor­den. « Erst unterrichtete der Vater sein Kind, da geschah es, dass die Verwais­ten ohne jeden Unterricht aufwuchsen. Man traf die Anordnung, dass in Jeru­salem Kinderlehrer angestellt wurden. Aber das genügte noch immer nicht, da nur die unterrichtet wurden, die nach Jerusalem kommen konnten, während die zurück gebliebenen Kinder, die ar­men, ohne jeglichen Unterricht blieben. Man stellte darauf Kinderlehrer in je­dem Bezirk an, aber auch dies genügte nicht. Da ordnete der Hohepriester Jo­sua ben Gamla an, dass Lehrer in jeder Stadt eingesetzt wurden. So hatte man in jeder Stadt Kinderschulen. In Jerusa­lem selbst soll es deren, nach einem späteren Bericht, 480 gegeben haben. Ebenso groß gibt die Sage ihre Zahl in der festen Stadt Bethar unter Barko­chba an. Der Patriarch R. Simon b. Gamliel erzählt, dass im Haus seines Vaters 1000 Kinder unterrichtet wur­den; 500 in der Thora und 500 in der griechischen Weisheit. (baba kama 83 a.). Sind wir auch nicht geneigt, diese Zahlenangabe strikt zu nehmen, so er­kennen wir in ihnen das Zeugnis von der Ausbreitung der Institution der Kinderschulen in Palästina im ersten Jahrhundert n. Die Kinderschule war den Juden ein teures Kleinod, auch nachdem sie die staatliche Selbststän­digkeit in Palästina eingebüßt hatten; sie begleitete dieselben nach den Stät­ten ihrer Zerstreuung, wo sie gar sorg­fältig gepflegt und erhalten wurde. Die Frucht hiervon war ihr eigener Be­stand. Die Schule war die Pflanzstätte für neue Generationen, die sie stark ge­nug für die kommenden Zeiten und Geschicke gebildet hatte. »Wollt ihr die Juden vernichten«, lautet in einer Sage die Antwort des Weisen Eunomos aus Gadara an Israels Feinde, »so zer­störet ihre Schulen. Denn so sich ihre Kinder in derselben befinden, die da­selbst in den Lehren ihres Gottes unter­richtet werden, werdet ihr nichts gegen sie vermögen. « »Jerusalem«, lehrte ein Lehrer des dritten Jahrhunderts n., »ist zerstört worden, weil sie die Kinder beim Schulbesuch gestört hatten.« »Siehst du«, mahnte in demselben Sinn R. Simon ben Jochai im zweiten Jahr­hundert n., »Städte in Palästina ver­schwinden, wisse, es geschieht, weil deren Bewohner die Lehrer nicht un­terhielten.« »Die Welt besteht nur durch den Hauch der Kinder des Lehr­hauses«, lautete die Mahnung des Pa­triarchen R. Juda II., der es mit dersel­ben so ernst nahm, dass er anordnete: »Man störe den Schulunterricht nicht, gelte es selbst dem Wiederaufbau des Tempels.« Sein Zeitgenosse R. Simon b. L. ging in dieser Würdigung der Schule noch weiter und lehrte: »Eine Stadt, die keine Kinderschule hat, müsse man zerstören.« Bekannt sind die Verdienste des Lehrers R. Chia im dritten Jahrhundert n. um die Schule. Er errichtete zur Förderung des Bibel­studiums Schulen und sprach: »Ich mache, dass die Thora nicht in Verges­senheit gerate; ich suche die Städte auf, wo es keine Jugendlehrer gibt und sorge für den Unterricht der Kinder. « Ebenso nachdrucksvoll wie in Paläs­tina sprachen sich die Lehrer in Baby­lonien für die Wichtigkeit der Schule aus. So lehrte im dritten Jahrhundert n. Rabh: »Berührt nicht meine Gesalb­ten« (1 Chr. 16), das sind die Kinder in der Schule; »und gegen meine Prophe­ten unternehmt nichts Böses«, das sind ihre Lehrer. Ein anderer: »Gepflanzt im Haus des Herrn, in den Höfen unseres Gottes blühen sie (Ps. 92. 14)«, das sind die Kinder in der Schule; ferner: »So die Kinder aus der Schule gehen, ruft ihnen eine göttliche Stimme zu: Geht, genießt euer Brot in Freude, denn Gott hat schon an eurem Werk Wohl­gefallen!« »Lieber ist mir, spricht diese Gottesstimme, der Hauch der Schul­kinder als der Duft der Opferstücke auf dem rauchenden Altar! « Im vierten Jahrhundert n. blühten in Babylonien die Hochschulen, denen Abaji und R. Saphir vorstanden. Da sprach dieser zu jenem: »Was wird der Lohn meiner und deiner Arbeit sein? Lange nicht dem der Kinderschulen gleich, denn nicht gleicht der Hauch der Sündhaf­ten (der Erwachsenen) dem der Un­schuldigen (der Kinder).« Allgemein hieß es: »In einer Stadt, die keine Schule hat oder wo es keinen Kinder­lehrer gibt, soll man nicht wohnen.« Im vierten Jahrhundert n. wurden vom Patriarchen die Gesetzeslehrer R. Ami und R. Assi nach verschiedenen Ge­meinden gesandt, um die Institutionen derselben zu besichtigen. Sie kamen nach einer Stadt und fragten nach den Hütern der Stadt. Da wurden ihnen die Magistratspersonen vorgestellt. »Das sind nicht die Hüter, sondern die Zer­störer der Stadt!«, riefen sie ihnen un­willig zu: »Die Hüter der Stadt, das sind die Kinderlehrer, denn also heißt es: Wenn der Herr nicht die Stadt hütet, vergebens bewacht sie der Wächter!«

II. Beschaffenheit, Örtlichkeit, Ab­teilungen und Klassen. Die Kinder­schule war mit der Synagoge verbun­den, entweder in dem Betraum oder in einem Lokal derselben. So wird von den Synagogen in Jerusalem erzählt, dass jede ein »Beth Sefer« und ein »Beth Talmud« hatte, von denen erste­res für den Unterricht in der Bibel und letzteres für den Talmud war. Doch traf man dieselbe auch im Haus des Lehrers; daher sie auch: »Haus des Lehrers« hieß. Doch baute man eigene Kinderschulen, die dann: »Lehrhaus« oder »Schule« hießen. Der Vorbeter der Synagoge war oft zugleich Kinder­lehrer. Über die Schülerzahl lautete später die Bestimmung: »Bei fünfund­zwanzig schulpflichtigen Zöglingen musste eine Schule mit einem Lehrer errichtet werden; bei vierzig Schülern soll der Lehrer einen Gehilfen erhalten, dagegen erhielten fünfzig Schüler zwei Lehrer.« In der Schule waren für die Schüler vier oder sechs Reihen im Halbkreise, so dass sie den Lehrer im Gesicht hatten. Man saß in früherer Zeit auf der Erde, doch bald bürgerte sich die Einrichtung von Bänken und Stühlen ein. »Deine Augen sollen deine Lehrer schauen (Jesaja 30. 20)«, diesen Vers bezog man darauf, dass der Schü­ler mit dem dem Lehrer zugewandten Gesicht in der Schule sitzen soll. Nach Maimonides saß der Lehrer obenan, den die Schüler im Halbkreis umgaben, dass jeder den Lehrer sehen und seine Worte hören konnte. Der Lehrer und die Schüler saßen. Aus den schon zi­tierten zwei hebräischen Namen für Schule »Beth Sefer«, Haus des Buches, als wo man lesen lernte und in der Bi­bel unterrichtet wurde und »Beth Tal­mud«, »Haus der Lehre«, als das Haus, wo der Unterricht des Talmud begann, geht hervor, dass es zwei Abteilungen in der Schule gab. Daher heißt es auch: »Man bringe das Kind von einer Syna­goge in die andere«, d. h. von einer Ab­teilung in die andere.

III. Schulalter, Schulzeit, Ferien, Schulbesuch und Schulzucht. Der vor­bereitende Unterricht im Haus begann für das Kind sehr früh. »So das Kind sprechen kann, lehre man es die klei­nen Gebetssprüche, als z.B. den ersten Vers des Schemagebets u. a. m.« Dage­gen sollte der Schulbesuch nicht vor dem sechsten Jahr beginnen. Im dritten Jahrhundert n. ordnete der Gesetzes­lehrer Rabh für den Kinderlehrer Sa­muel b. S. an: »Nimm keinen Knaben vor seinem zurückgelegten sechsten Jahr in die Schule auf.« »Schickt je­mand sein Kind vor dem sechsten Jahr in die Schule, so wird er ihm nachlau­fen (d. h. er will ihn erhalten), aber er erreicht ihn nicht!«, lautete die Lehre eines anderen darüber. Für Palästina war das volle fünfte Jahr als für die Schulzeit gewöhnlich, möglich, dass die Kinder in Palästina kräftiger waren oder sich rascher entwickelten. Die Schulzeit war erst unbeschränkt, sie dauerte von morgens bis abends und spät in die Nacht nach den Schriftwor­ten: »Und forsche darin Tag und Nacht.« Ob diese Angabe nur für die Zeit bestimmt war, wo die Schule für den Kinderunterricht geöffnet war, aber nicht, dass ein und dieselben Kin­der den ganzen Tag hindurch ununter­brochen unterrichtet werden sollen, ist ungewiss. Doch scheint diese Auffas­sung die richtige zu sein. Im Laufe der Zeit veranlasste diese Bestimmung manche Unordnung, Verwirrung und Ermüdung für den Lehrer. Das mag wohl den Gesetzeslehrer Raba im vier­ten Jahrhundert zur Handhabung einer anderen Ordnung bestimmt haben; er sagte zu den Lehrern: »Gebt euren Schülern genau die Zeit an, wann sie kommen und gehen sollen.« Demge­mäß wählte man die Stunden früh des Morgens und die spät abends. Genauer wird dieselbe auf fünf Stunden täglich angegeben. Vom 17. Tamus bis den 9. Ab war dieselbe auf nur vier Stunden beschränkt. Es war dies eine Anord­nung von Rab Samuel b. Jizchak. Feri­entage waren die Rüsttage zu Shabbath und Fest. An Shabbathen sollte nur das Alte wiederholt, aber nicht Neues ge­lehrt werden. Der Schulbesuch in der angegebenen Zeit war ein reger. Die Kinder wurden hierzu von den Eltern angehalten. Man erzählt: »Ein Gelehr­ter band eilig sein Tuch um den Kopf und führte seinen Sohn zur Schule.« Da begegnete ihm sein Freund. »Wa­rum so eilig?«, rief ihm dieser zu. Er antwortete: »Die Pflicht, das Kind in die Schule zu führen, geht jeder ande­ren Sorge vor.« Von einem anderen Ge­lehrten wird berichtet, dass er des Morgens nicht eher frühstückte, bis er sein Kind in die Schule gebracht hatte. Ein Dritter hatte zur Gewohnheit, erst die Schulaufgaben des vorhergehenden Tages mit seinem Sohn zu wiederholen und etwas Neues denselben hinzuzufü­gen. Über die Schulzucht und die Schul­strafen haben wir die Notizen, die auf pünktliche Aufrechterhaltung der be­stimmten Schulzeit dringen. Ein Kind, das drei Tage von der Schule wegge­blieben war, wurde zur strengen Ver­antwortlichkeit gezogen. Der Lehrer soll auch den Schein einer Parteilich­keit meiden. Er darf, um an Achtung bei seinen Schülern nicht zu verlieren, vor denselben weder scherzen, noch es­sen oder trinken u. a. m.; soll die Rang­ordnung seiner Schüler erhalten und den Fleißigeren und Weiseren auszeich­nen. Beim Eintritt des Lehrers darf der Schüler den Lehrer nicht mit Fragen überhäufen, fremde Fragen, die zum Unterricht nicht gehören, nicht an ihn richten u. a. m. In Betreff der Anwen­dung von Strafen auf Vergehungen und Unaufmerksamkeit unterschied man die kleineren und jüngeren von den äl­teren und größeren Schülern. Erstere sollen bei verdienten leiblichen Strafen mit einem Riemen geschlagen werden. Fährt der Schüler in seinem Ungehor­sam fort, so entferne man ihn nicht, sondern lasse ihn bei den anderen Mit­schülern weiter, vielleicht wird er durch sie zum Wetteifer angeregt. Auch durch Belohnung versuchte man kleine Kin­der für Fleiß und Aufmerksamkeit in der Schule zu gewinnen. So wird von Rabba erzählt, dass er in seiner Schule Süßigkeiten, als z. B. Honig, für die kleinen Kinder bereithielt. In der Schule soll die Gleichheit der Schüler beachtet werden, die Kinder der Reichen sind denen der Armen gleich.