Religionsgespräche

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Religions­kämpfe, Polemik und Apologetik. Die Polemik und Apologetik, der Kampf und die Verteidigung des Judentums, beide sind so alt als das Judentum selbst; sie waren mit dessen Entstehung schon da. Die Offenbarung seiner Lehren und Gesetze, der zehn Worte auf Sinai, mit den auf dieselben folgenden und mit ih­nen zusammenhängenden weiteren Be­stimmungen und Einrichtungen bildeten einen Protest gegen die Welt des Hei­dentums, einen Kampf gegen ihre un­würdigen Sitten und Lebensweisen, ihre erträumten Gottheiten und ihre enteh­renden Religionsbräuche, und ein Ge­genkampf war unausbleiblich. So ward die Religion des Judentums ein Kultur­werk, die auf ihrem weltgeschichtlichen Gange durch die Völker unzählige schwere Kämpfe durchzumachen hatte, in denen sie Beweise ihrer göttlichen Sendung, ihrer starken Geistesmacht ablegen sollte. Es waren keine Kämpfe der materiellen Kraft und Gewalt, nicht die der Waffen des Eisens und des Stah­les, sondern die des Geistes, des sie­genden Wortes, der Überzeugung, der Lehre und Belehrung, die das Juden­tum geführt und überwindlich gewor­den. »Und so erkenne es heute und führe es deinem Herzen zu, dass der Ewige Gott ist im Himmel oben und auf der Erde unten, sonst keiner.« »Sie werden nichts zerstören, nichts verhee­ren auf meinem ganzen heiligen Berge, denn voll wird die Erde der Gotteser­kenntnis sein, wie Wasser das Meer be­deckt. « Dies war das Wort an Seruba­bel wie folgt: »Nicht durch Macht, auch nicht durch Kraft, sondern nur durch meinen Geist!., lauteten die Mahnrufe der Religion des Judentums nach innen und außen. Die Kenntnis dieser Kämpfe ist für die Forschung der Geschichte der jüdischen Religion un­entbehrlich und verdient ihre volle Be­achtung. Die ersten Kämpfe waren nach innen gerichtet; erst sollte aus der Mitte des jüdischen Volkes alles Heid­nische, das sich in ihm eingenistet und in seinem Leben und Werken zum Vor­schein gekommen, bekämpft und ver­nichtet werden. Früher musste Israel von allem Heidnischen, dem Wahn-und Aberglauben frei werden und sich von den sittlich großen Wahrheiten sei­ner Religion durchdrungen fühlen, ehe es den Kampf für seine geoffenbarte Lehre mit anderen Völkern aufnehmen konnte. Es war ein schweres Werk, di­ese innere Geistesumwandlung, diese große religiöse Volkserziehung. Leset die begeisternden Prophetenreden von dem Buch Moses an bis zum letzten Propheten Maleachi; es bedurfte der Zeit des ganzen ersten Staatslebens in Palästina, der Arbeit des ganzen Pro­phetentums, des Zusammensturzes der staatlichen Selbstständigkeit, ehe Israel das geworden, wozu es berufen und: bestimmt war. »Und ich vernichte«, heißt es in Micha 5. 11, »die Städte deines Landes und reiße all deine Fes­tungen nieder, rotte die Zauberer in dir aus und die Wolkenbeschwerer sind nicht mehr; lasse die Götzenbilder schwinden und du bückst dich nicht mehr zu den Werken deiner Hände.. Schärfer noch als hier sind diese Weis­sagungen bei Jesaja. Die Götzen Ägyp­tens und die anderer Völker, die so ver­derblich auf Israel eingewirkt hatten, werden in Folge schwerer Prüfungs­tage, die Israel zur Kenntnis bringen, schwinden. »Und die Götzen werden ganz schwinden«. »An diesem Tage wirft der Mensch weg die Götzen aus seinem Silber und die aus seinem Golde, die er sich zur Verehrung ange­fertigt, für die Maulwürfe und die Fle­dermäuse.« »An diesem Tage wendet sich der Mensch an seinen Schöpfer, und seine Augen sehen den heiligen Is­rael.« »Und er wendet sich nicht mehr zu den Altären, den Werken seiner Hände, und was seine Finger gemacht, sieht er nicht, die Hainen und die Son­nenbilder. « Von einem Gefühle der Bit­terkeit des Erlebten ist die Polemik ge­gen den Götzendienst innerhalb Israels bei den exilischen Propheten. Dem Volk werden die Zerstörungen in sei­ner Mitte in Folge des Götzendienstes vor die Augen geführt: »Ich sehe, ruft Jeremia, die Erde, sie ist öde und leer, den Himmel, er hat kein Licht. Ich schaue auf die Berge, sie beben, alle Hügel sinken ein, denn wüste ist dieses ganze Land.« »Denn nie könnte ich dir das verzeihen. Deine Kinder verließen mich und schwuren zu den Ungöttern, sie buhlten und trieben scharenweise Abfall.« In einer anderen Gestalt tref­fen wir diese Polemik bei den Prophe­ten nach dem Exile; sie ist direkt gegen den Götzendienst im Allgemeinen ge­richtet. Mit der bittersten Ironie drückt Jesaja II. die Pfeile seines Witzes gegen den grobsinnlichen sowie gegen den feinen Götzendienst ab. Wie in den Psalmen (115, 135) die Götzen in ihren Bildern belächelt werden: »Sie haben Augen, und sehen nicht; sie haben Oh­ren, sie hören nicht«, so deckt auch dieser Prophet ihren Trug auf; er schildert deren Anfertigung aus Holz, von dem der eine Teil zum Kochen ver­wendet und der andere als Gott verehrt werden soll. »Sammelt euch und kommt, tretet allesamt vereint, ihr Reste der Völker, die nicht wissen; sie tragen das Holz ihres Götzenbildes und beten zu Gott, der ihnen nicht hilft.« »Wem vergleichet ihr mich und wollt mich ähnlich halten? Sie schütten das Gold aus ihrem Beutel, wiegen Sil­ber um das Rohr, mieten einen Gold­schmied, dass er ihnen einen Gott ma­che, vor dem sie sich bücken und ihn verehren können.« »Sie laden es auf die Schulter, stellen dasselbe hin; es bleibt und weicht von seiner Stelle nicht; auch wenn man zu ihm schreit, antwortet es nicht; von seiner Not hilft es ihnen nicht.« Triumphierend ruft er daher aus: »Bei mir habe ich geschworen, mir wird jedes Knie sich beugen und jede Zunge schwören.« Erst dem zweiten jüdischen Staatsleben in Paläs­tina war es vorbehalten, die Juden in unerschütterlicher Treue in seinem Glauben und in seiner Lehre zu haben, reif, um in den Kampf und in den Tod für seinen Gott zu ziehen; reif, seine Religionswahrheiten den Völkern zu verkünden. Es trat die zweite Periode der Polemik und Apologetik, des Kampfes und der Verteidigung der jü­dischen Religionswahrheiten, ein, die sich mit ihren Arbeiten mehr nach au­ßen als nach innen wandte. Der Zu­sammenstoß des Judentums mit dem Griechentum unter der griechisch-sy­rischen Herrschaft in Palästina und un­ter den Ptolomäern in Alexandrien rief eine gegenseitige heftige Polemik her­vor. Der ernste jüdische Geist und die gesetzlich vorgeschriebene, von den Ju­den streng befolgte Lebensweise, als z. B. durch die Gesetze des Shabbaths, die Speisegesetze, der Beschneidung u. a. m. waren den leichtlebigen Grie­chen völlig unbegreiflich und wurden als lächerlich bespottet. »Jegliches Land und jegliches Meer ist von dir er­füllt.« »Jeglicher ist dir feindlich ge­sinnt ob deiner Gebräuche«, singt dar­über die Sibylle. Das Judentum war zur Abwehr herausgefordert, es hat den Kampf mutig aufgenommen und sieg­reich beendet. Als ersten Akt der Ab­wehr betrachten wir die Übersetzung der Bibel ins Griechische unter Ptolo­mäus Philadelphus in den Jahren 284 — 247 v. Die Anfertigung derselben war die Antwort auf jene Angriffe von Sei­ten der Heiden auf die gesetzliche Le­bensweise und den ernsten Sinn der Juden. Die griechisch redende Mensch­heit sollte das heilige Schrifttum der Juden kennenlernen; ihre Lehren und Gesetze sollten allen zugänglich wer­den, um so jede Verleumdung bloßzu­stellen. Es war ein großes Werk der Apologetik, diese griechische Bibelüber­setzung, die wir heute noch, wenn auch nicht mehr in ihrer ursprünglichen Fas­sung, besitzen. Wir bringen hier, dass man in ihr alles, was dem griechischen Sinn und der Denkweise zuwider war, möglichst vermied oder dafür andere Ausdrücke wählte; auch, wo es sich tun ließ, platonische Philosopheme ein­streute. So wurde die Bibel zu einem griechischen Volksbuch umgeschaffen, worin man die Ideen der griechischen Weisen vorfand. Es wurden in den Stel­len von Gottes Sichtbarkeit andere Aus­drücke substituiert, die Anthropopa­thismen, als z. B. Reue Gottes, völlig beseitigt, die Erscheinungen Gottes in Engelerscheinungen umgedeutet u. a. m. Die Erfolge derselben waren nicht un­bedeutend, und man schätzte diese Übersetzung so hoch, dass die Juden in Ägypten den Tag ihrer Vollendung zum Festtag einsetzten, sodass man noch in den Tagen Philos zur Insel Pharos pil­gerte, woselbst sie angefertigt wurde! Doch war damit das Werk der Apologetik nicht beendet, immer wieder er­neuerten sich die Angriffe von Seiten der Griechen und neue Abwehr wurde notwendig. Diesmal erschien dieselbe in Kommentaren zur Bibel, die das missverstandene und verspottete Got­teswort zu erklären und in das wahre Licht zu stellen sich bemühten. Von solchen neuen Arbeiten der Apologetik nennen wir den Brief des Aristeas und später den Kommentar von dem Philo­sophen Aristobul, von denen sich nur noch einige Bruchstücke erhalten ha­ben. Der Brief des Aristeas ist von einem ägyptischen Juden wohl am An­fange des 2. Jahrh. v. verfasst. Derselbe erzählt von der Entstehung, Anferti­gung und Hochhaltung der grie­chischen Bibelübersetzung. Ein Hohe­priester, Eleasar, erteilt den Abgesandten des Königs Philometer, denen er Ge­lehrte zur Anfertigung einer grie­chischen Bibelübersetzung mitgibt, Auskunft über viele Gesetze im Penta­teuch. Dieselben, sagte er, haben die völlige Absonderung der Israeliten von den Heiden und deren Götzendienste zum Ziele. Doch liegen ihnen auch an­dere Ursachen zu Grunde. So gehören die zum Genuss erlaubten Tiere zu den zahmen und sanften, dagegen sind die wilden und heftigen Tierarten verbo­ten. Diese Gesetze sollten sinnbildlich die Israeliten lehren, sich der Gewaltta­ten zu enthalten. Die gespalteten Klauen an dem erlaubten Tiere sind Symbole, wie man das Gute vom Bö­sen, Recht und Unrecht, Tugend und Sünde unterscheiden soll. Die Eigen­schaft des Wiederkauens bei denselben ist das Sinnbild der Erinnerung an Gott in allen unseren Lebensverhältnissen. Kern der Frömmigkeit ist die Liebe, die wiederum nur ein Geschenk Gottes ist. Wer dieselbe besitzt, vereint in sich alle Tugenden. Nächst der Liebe gilt die Demut als gottgefällig, aber das schönste Opfer für Gott ist die Her­zensreinheit. Diesem reihen wir die viel tiefere Apologetik des Judentums von dem alexandrinischen Philosophen Aristobul (181 — 145 v.) an. Derselbe hat einen Kommentar zum Pentateuch geschrieben, den er dem Könige Pto­lomäus VI. Philometer gewidmet hat, von dem sich jedoch nur Bruchstücke erhalten haben. Von denselben haben wir schon oben die allegorische Erklä­rung der Anthropomorphismen ge­nannt. Es bedeutet die Hand Gottes seine Macht oder das Vollbringen der­selben; das Stehen Gottes, dass alles in der von Gott gesetzten Ordnung besteht, das Ruhen Gottes am siebenten Tage, dass Gott alles in der bestimmten Weise gelassen habe; das Sprechen Gottes die Kundgebung seiner Macht; die Herab­lassung Gottes in Donner und Blitz auf Sinai die wunderbare Offenbarung. Wei­ter bezeichnet er den Shabbath als Sym­bol der Siebenzahl, in der wir Kenntnis der menschlichen und göttlichen Dinge erlangen. Eine andere Form nahm diese Apologetik in den nun folgenden ande­ren alexandrinischen jüdischen Schrif­ten. Man blieb nicht bei der Abwehr und der Verteidigung stehen, sondern ging zu Angriffen auf das Heidentum über. Den Anfang derselben sehen wir in der sibyllinischen Dichtung aus der Mitte des zweiten Jahrh. v. Dieselbe hat zu ihrem Ziele, menschenähnliche Vor­stellungen von Gott fern zu halten, die Sittenverderbnis des Heidentums durch den Trug seines Götterglaubens vor die Augen zu führen und den Beruf des Ju­dentums zur Weltreligion klarzulegen. Wir bringen von derselben:

Ein Gott ist, ein ewiger Gott, un­endlich und ewig,

Herrscher des Alls, unsichtbar, selbst jedoch alles erblickend;

Aber er selbst wird nimmer gesehen von sterblichen Wesen.

Ja, ihr werdet gebührenden Lohn für die Torheit empfangen:

Habt den Dämonen ihr Opfer ge­bracht, den Geistern im Hades,

Und im Dunkel und Wahn geht ihr, vom ebenen, graden

Pfad abweichend, zieht ihr hin auf dornigen Wegen,

Die ihr tappet in Nacht, in lichtlos finsterem Dunkel!

Auf einer anderen Stelle macht sie ihren Angriff auf den ägyptischen Göt­zenglauben und ruft aus:

Schämt euch doch, als Gott zu ver­ehren Katzen und Schlangen,

Vögel betet ihr an und kriechende Tiere der Erde,

Götter, die Diebstahl üben an Schüsseln und Töpfen,

Die statt im goldenen Himmel herr­lich zu wohnen,

Sehen auf Mottenfra 13 und um Scha­ren von Spinnen besorgt sind.

Gegenüber diesem Götzendienst spricht sie:

Glücklich das gläubige Volk, das Gott nur verehrt, den Einen,

Sprechend zu ihm das Gebet, bevor es speiset und trinket,

Welches die Tempel verleugnet, die stumm sich ringsum erheben,

Und die Altäre zumal, der Steine sinnlos Gebilde.

Nächst der jüdischen Sibylle nen­nen wir das Buch der Weisheit, das von einem alexandrinischen Juden im zwei­ten Jahrh. v. verfasst wurde. Die Kapi­tel 10 — 19 enthalten die Angriffe auf den Götzendienst im Heidentum. In der Götzenverehrung sieht es den Ur­sprung der Unzucht und alles Bösen. »Es ist ihnen nicht genug in der Gottes­erkenntnis zu irren, sondern sie leben noch im Kampfe; sie bringen Opfer des Kindesmordes, halten wilde, von ande­ren Sitten abweichende Fressgelage, haben weder die Reinheit der Ehe, noch des Lebens; es erwürgt der eine den anderen meuchelmörderisch oder beleidigt ihn durch Ehebruch! So findet man bei ihnen Blutdurst, Mord, Dieb­stahl, Betrug, Falschheit, Untreue, Auf­ruhr und Meineid.« Denn da sie leblo­sen Götzen vertrauen, so befürchten sie bei falschen Eiden keinen Schaden. Sie flehen das Schwache um Gesund­ heit, das Tote um Leben, das Hilflose um Beistand an.« Gegen die Menschen­vergötterung, die Vergötterung der Kö­nige, lässt das Buch den Salomo spre­chen: »Auch ich, obwohl König, bin ein sterblicher Mensch, allen anderen gleich — alle haben denselben Eingang ins Leben und denselben Ausgang.« Auch hier wird der Götzendienst Ägyp­tens besonders gegeißelt: »Für die tö­richten Gedanken ihrer Ruhelosigkeit, durch die sie vernunftlose Schlangen und verächtliche Tiere verehren, sand­test du ihnen ein Heer vernunftloser Tiere zur Strafe.« Gegenüber diesem Wahnglauben stellt er die Lehren des Judentums auf. Es gibt nur einen Gott, den die Juden verehren und der die Welt aus umgestalteter Formlosigkeit erschaffen und sie mit Gerechtigkeit regiert, alles nach Gewicht und Maß vergilt. Ähnliche Angriffe haben die anderen Schriften: das Buch Baruch und die Zusätze zum Estherbuche: »Bel und der Drachen. So heißt es in erste­rem: »Schöne Götter, die man täglich abstaubt und setzt ihnen Katzen auf den Kopf.« Die andere Schrift deckt ungescheut den Trug der Götzenpries­ter auf. Im Beltempel lässt es Daniel Asche streuen, um die Fußtritte der Priester zu zeigen, die die Speisen der Götter heimlich des Nachts verzehrten. Schärfer noch macht es das apokryphi­sche Jeremiasbuch. »Die Heiden schmücken das Haupt ihrer Götter wie eine Braut mit Gold und Silber, aber die Priester nehmen diesen Schmuck und bezahlen damit ihre Buhldirnen. « Auch auf heidnischer Seite wird gegen den Trug des Götzenwesens polemi­siert und die Hohlheit des Heidentums bloßgestellt. So lesen wir bei Strabo in seinem geografischen Werk, Buch 16. K. 2 § 34 — 36. »Denn nur jenes eine Wesen ist Gott, welches uns alle, Erde und Meer, umfasst. Wie also kann, wer irgend Verstand hat, sich erdreisten, ein irgendeinem der Dinge bei uns glei­chendes Abbild seines Wesens zu er­dichten? Man müsse vielmehr alle Bil­dermacherei unterlassen und die Gottheit ohne Bild verehren.« Früher schon soll Hekatäus aus Abdara ein Werk über den judäischen Kultus in recht anerkennender Weise geschrieben haben. Allgemein schenkte man der Sage vollen Glauben, dass Plato und Aristoteles ebenso Pythagoras aus dem mosaischen Gesetz vieles geschöpft, und letzterer mit einem jüdischen Ge­lehrten Unterredungen gehalten habe. Die Veranstaltung von Religionsge­sprächen zwischen Juden und Heiden wurde seit Herodes I. immer häufiger. So erschlossen sich dem Judentume im­mer größere Kreise der Vornehmen, und dessen Messiasideen und Messias­hoffnungen drangen in die poetischen Arbeiten eines Virgils und Ovids. Diese geistigen Eroberungen des Judentums in der römischen Welt müssen nicht unbedeutend gewesen sein, wenn sie Juvenal zu dem Bekenntnis bewogen: »Man lauscht dem Raunen des greisen Juden, dem Gemurmel der alten Jüdin mit heiliger Andacht. « Auf einer ande­ren Stelle erzählt er, dass er auf der Straße angeredet wurde: »Wo im Bet­hause sehe ich dich, Jude!. Ferner be­richtet er, dass alle von schweren Träu­men Geängstigten ihren Trost im Judentum suchten. Von anderen hören wir, dass Hausväter ihre Söhne und Sklaven dem Judentum zuführten, fas­teten am Donnerstag, ruhten am Shab­bath und hielten sich streng nach den Speisegesetzen des Mosaismus. Die En­kel des Kaisers Augustus ließen keine Gelegenheit vorübergehen, in Jerusa­lem zu opfern. Dem Judentum ergeben waren die Töchter der Gens Fulvia Va­leria u. a. m., zu denen auch die Ge­mahlin des Kaisers Nero, die Poppäa, gehörte; sie verlangte als Jüdin bestat­tet zu werden, was auch Nero wirklich vollziehen ließ. In anderen Städten drängten sich ganze Gemeinden zur Annahme des Judentums. Ein Zeitge­nosse berichtet darüber: »Es gibt keine einzige griechische und nichtgriechi­sche Stadt, wohin sich nicht die Sitte des siebenten Tages, den wir feiern, verbreitet hätte; ebenso die Fasten, die Lichterfeste und viele Verbote der Spei­segesetze u. a. m. Wie Gott sich durch die Welt ergießt, so ist das Gesetz durch die Menschen geschritten.« Nament­lich waren es die Frauen, die sich so sehr vom Judentum angezogen fühlten. Die Mehrheit von ihnen zog den Be­such der Synagogen den geräuschvol­len Prozessionen der syrischen Göttin­nen und der hellenischen Tempel vor. Bekannt ist der Ausruf bei Ovid: »Die Schönheit der Stadt sucht man in den Synagogen.« Man trägt freigebig zum Bau und zur Unterhaltung der Synago­gen bei, sodass Tacitus über die Hin­neigung der Heiden zum Judentum klagt: Augenzeugen berichten, dass es in Rom, Alexandrien, Antiochien, Da­maskus eine ebenso große Zahl von Judenfreunden als Juden gab. Mit die­ser Würdigung des Judentums stieg die Begünstigung und Ausbreitung der Ju­den selbst. »Man kann nicht leicht ei­nen Ort in der Welt finden, der dieses Volk nicht beherbergt und der nicht in seiner Gewalt ist«, lautet eine Nach­richt darüber. Überall erhoben sich Sy­nagogen, Verkünder der Symbole der jüdischen Religion; sie erfreuten sich derselben Gesetze wie gegen die Mys­terien und die Hetarien. Die Juden hat­ten in allen neuen griechischen und mazedonischen Städten Bürgerrecht und Autonomie, und die Cäsaren such­ten in ihnen die treuen Verbündeten der bestehenden Gewalt. Das Heidentum fühlte sich bis ins Herz getroffen und sann auf eine Reaktion. Es ließen sich in Alexandrien und Rom, wohl auch an anderen Orten, Gegenstimmen hören und immer stärker machte sich eine gegen das Judentum feindliche Strömung geltend. Vieles mag wohl die herausfordernde Weise vieler unbeson­nener Juden hierzu beigetragen haben. Nach einer Erzählung bei Josephus soll ein jüdischer Schütze, Mosolam, einen Vogel, von dessen Verhalten die Auguren den Vormarsch oder den Rück­marsch des Heeres abhängig machten, vom Baum abgeschossen haben unter dem Zurufe: »Wüsste der etwas von der Zukunft, er wäre sicherlich weiter geflogen! « Schon lange vorher im Jahre 250 v. war es des Oberpriester Manethon von Heliopolis, der in seiner Schrift »Ägyptiacä« gegen die Juden Gehässiges schrieb. Er drehte den Be­richt im zweiten Buch Moses von den die Ägypter getroffenen Plagen des Aussatzes usw. um und erzählt, dass der König Pharao Amenophis die Ju­den wegen ihres Aussatzes, 80.000 an der Zahl, östlich in die Steinbrüche entließ, die ein aussätziger Priester aus Heliopolis zu einem Volke organisiert hat. Diese Sage ging später zu den an­deren, gegen die Juden feindlichen Schriftstellern über, als zu dem älteren Chäremon u. a. m. Lysimachos (3o v.) fügte noch hinzu: Moses habe im Ge­setz Feindschaft und Raub gegen die anderen Völker gelehrt. Mehr ausge­bildet wurden diese Sagen und falschen Angaben vorn Philosophen Posidomus auf Rhodos und Apollonius Molon (90 v.), Diodor von Sizilien (3o v.) u.a.m., dass die menschenfeindlichen Gesetze im Juden Hass und Widerspruch gegen die übrige gesamte Menschheit nähren u. a. m. In Alexandrien erhob sich Apion, der Grammatiker, und schrieb gegen die Juden ein Werk in 3 Teilen, von denen enthielt Teil I die Geschichte des jüdischen Volkes, worin er dessen hohes Alter in Abrede stellt; Teil II die Beschwerden der Alexandriner gegen die Juden und Teil III das Gesetz und der Tempeldienst der Juden. In diesem letzten Teil erdichtet er, dass die Shab­bathfeier in Folge einer Wolfskrankheit der Juden, die sie sich auf den Wande­rungen in der Wüste zugezogen hatten, eingesetzt wurde, worauf der Name »Shabbath« deuten soll; ferner, dass sie im Tempel einen Eselskopf verehrten. Das Schrecklichste von ihm ist seine Lüge, die Juden halten im Tempel ei­nen Griechen gefangen, den sie mästen, um ihn darauf zu töten, um von seinem Leib zu opfern. Diese Schmähschrift mit anderen ähnlichen hatte in Alexan­drien die gefährlichsten Folgen für die Juden. Nach dem Tod des Kaisers Ti­berias brach unter Caligula (38 n.) eine Judenverfolgung daselbst aus, die der dortige Statthalter Flaccus begünstigte. Man nahm den Juden das Bürgerrecht, schändete ihre Synagogen, wozu später noch der Zwang hinzukam, des Kai­sers Caligulas Bildnis zur göttlichen Verehrung in den Tempel zu Jerusalem und in die Synagogen aufzunehmen, um im Weigerungsfalle die Juden beim Kaiser verhasst zu machen. Die Gegen­schritte der Juden bestanden in der Ab­sendung einer Gesandtschaft nach Rom, der sich der jüdische Philosoph Philo, Bruder des Alabarchen Alexan­der, angeschlossen hatte. Viele der vor­nehmen Juden gingen um diese Zeit offen zum Heidentum über. Philo ver­fasste über diesen Vorgang eine Schrift von fünf Büchern, von der sich nur ein vollständiges Stück »contra Apionem« erhalten hat, das überarbeitet wurde und den Namen »Legatio ad Cajum«, Gesandtschaft am Cajus (Kaligula), führte. Später hat Josephus Flavius ge­gen die Anklagen und Schmähungen Apions seine bedeutende Schrift: »An die Hellenen« oder wie sie später heißt: »Über das hohe Alter des jüdischen Volkes gegen Apion«, auch »Bücher gegen Apion« abgefasst. Schon früher sagte er an anderen Orten über den Zweck der Abfassung seiner Archäolo­gie: »Ich tue von solchen Dingen Mel­dung, um die fremden Völker mit uns auszusöhnen und den bei manchen Un­verständigen tief eingewurzelten Wi­derwillen gegen uns und unseren Gott zu bekämpfen. Da unsere Gesetze die vollkommenste Gerechtigkeit atmen, so müssen wir durch dieselben, falls wir sie nur recht betrachten, gegen alle wohlwollend und herzlich werden. Demnach machen auch wir Anspruch auf gleiche Behandlung und können es nicht billig finden, wenn man uns um der Verschiedenheit unserer Einrich­tungen willen als geduldete Fremdlinge betrachtet. Vielmehr verlangen wir in diesen Einrichtungen den Geist der Humanität anerkannt zu sehen, die von allen Völkern auf gleiche Weise angestrebt wird. Mit scharfen Waffen bekämpft er die in den feindlichen Schriften gegen die Juden oder das Ju­dentum vorgebrachten Fabeln und fal­schen Angaben und weist entrüstet die Schmähungen gegen die jüdische Religion zurück. Die Zeit hat für den tap­feren Verfechter Josephus entschieden. Es ist hier nicht der Raum, diese An­griffe Apions in ihrer Breite und die geschickte Widerlegung derselben durch Josephus zu bringen. Wir notie­ren davon das Hauptsächlichste. »Es wird«, sagt er, »wie ich glaube, klar hervorgehen, dass wir Gesetze haben, die am meisten geeignet sind, Gottes­furcht, Zusammenleben mit anderen, allgemeine Menschenliebe, Gerechtig­keit, Ausdauer in Leiden und Todes­verachtung zu erzielen.« Er beweist dies in Folgendem: »Der Tempel ist für einen Gott, allen geöffnet, weil alle nur den einen Gott haben. Wir bringen Opfer, aber nicht, dass wir dabei uns sättigen und uns berauschen. Die An­rufung Gottes ist nicht bloß zur Erlan­gung des Guten, das erhält der Mensch auch ohnehin. Das Gesetz gebietet zur Ehe die natürliche Verbindung des Mannes mit der Frau, aber auf die Be­rührung mit Männlichem ist der Tod gesetzt; ebenso auf Ehebruch; dem Ge­bote der Ehrfurcht vor Eltern räumt das Gesetz die Ehre der Alten, die Liebe gegen Fremde, die Unbestechlichkeit des Rechtes, die Wohltätigkeit gegen Arme und Bedürftige u. a. m. einge­schärft.« Schön ist es, was er über die Vergeltung sagt: »Jene, die alles nach dem Gesetze tun, erwartet nicht Silber und Gold als Lohn, nicht Öl- und Efeu-kronen, sondern es trägt jeder das Zeugnis des Bewusstseins in seiner Brust, dass jene, die das Gesetz hüten und für dasselbe sterben, wieder bei Gott erstehen und eines besseren Le­bens teilhaftig werden.« Den zweiten Teil dieser Polemik und Apologetik bil­den die Religionsgespräche und die an dieselben sich knüpfenden Lehren und Verordnungen im talmudischen Schrifttum. Dieselben gehören der Zeit vom ersten Jahrhundert v. bis gegen den Schluss des fünften Jahrhunderts n. an und fanden statt zwischen den Juden und den gebildeten Heiden; den Juden und den Samaritanern; den Pharisäern und den Sadducäern und den Baithusäern; den Gesetzeslehrern und den Neu­persern; den Gesetzestreuen und den Hellenisten, den Alexandrinern und den Anhängern der philonischen Philo­sophie nebst den durch dieselbe sich gebildeten Sekten, minin, sowie beson­ders zwischen den Volkslehrern und den Judenchristen. Wir bringen von denselben:

A. Die Religionsgespräche zwischen den Juden und den gebildeten Heiden. Die Personen, welche diese Religions­gespräche hielten, waren heidnischer Seite: Ägypter, Araber, Syrer, Griechen, Römer; spezieller angeblich auch Kai­ser als: Hadrian und Antoninus Pius; Feldherren, Statthalter in Palästina, Philosophen, vornehme Römerinnen, Matronen u. a. m. Auf der Seite der Ju­den standen: die Volks- und Gesetzes­lehrer: Hillel, Jochanan Sohn Sakai, R. Gamliel II., R. Josua ben Chananja, R. Akiba, R. Josua ben Korcha, R. Mair, R. Jose u. a. m. Die Zeit derselben ist das Jahrhundert vor der Zerstörung Je­rusalems und die zwei Jahrhunderte darauf. Diesen schließen wir an die Re­ligionsgespräche der Sage, welche die Zeit Alexanders des Großen und der auf ihn gefolgten griechisch-syrischen Herrschaft in Palästina für sich in An­spruch nehmen. Ihr Thema bilden mehrere biblische Geschichtsangaben, vieles aus der Glaubens-, Rechts- und Sittenlehre und verschiedene Gesetze des Judentums. Es folgen hier:

I. die der Sage, angeblich der Zeit Alexanders des Großen. Diese Gesprä­che sind mehr politisch als religiösen Inhalts und sollen zwischen Afrika­nern, Ägyptern und Ismaeliten (Ara­bern) und einem Abgesandten der Ju­den vor Alexander dem Großen stattgefunden haben. Der Geschichts­schreiber Josephus (Alterth. 11. 8. 9) berichtet von Phöniziern und Chaldä­ern im Gefolge Alexanders d. Gr., die feindlich gegen die Juden auftraten, aber nichts ausrichteten, da letztere doch einen Steuererlass für das Brach­jahr bewilligt erhielten. Von Anführern der Afrikaner, die von Alexander schmählich zurückgewiesen wurden, berichtet Pseudo Callisthenes (Codex c. L. i. c. 3o). Ebenso wird daselbst von der harten Begegnung Alexanders d. G. mit den Ägyptern erzählt. Die persische Iskendersage (Alexandersage) des Firdussi hat einen Bericht von dem Zusammentreffen Alexanders d. Gr. mit den Israeliten. Die Sage im talmu­dischen Schrifttum erzählt folgendes: Vor Alexander d. Gr. brachten die Afri­kaner ihre Rechtsansprüche gegen die Juden zur Entscheidung. Palästina ist unser Land, sprachen sie, denn auch die Bibel nennt es noch »Land Ka­naan« und wir sind die Nachkommen Kanaans. Gegen diese Forderung trat als Anwalt der Juden das Synhedrial­mitglied Gebiha Sohn Pesisa auf; er sprach: »Ihr beruft euch auf die Bibel, auch ich hole mir den Gegenbeweis von da. Heißt es doch in derselben: >Fluch sei Kanaan, er werde ein Sklave seinen Brüdern (1. M. 9. 25)<; die Nachkommen Kanaans sind Sklaven, deren Besitz das Eigenrum ihres Herrn ist; auch seid ihr uns die Dienstbarkeit so vieler Jahre schuldig. « Alexander forderte nun ihre Entgegnung. Aber sie erbaten sich eine Bedenkzeit von drei Tagen aus, und als sie nach Ablauf die­ser Frist nichts vorzubringen wussten, überließen sie ihre unbebauten Äcker und Weinberge den Israeliten und flo­hen; es war an einem Erlassjahr. Ein anderes Mal traten die Ägypter mit ih­ren Forderungen gegen die Juden vor Alexander den Großen. In ihrer eige­nen Heiligen Schrift, sprachen sie, heißt es: »Gott gab dem Volke Gunst in den Augen der Ägypter und sie liehen ih­nen silberne und goldene Gefäße (2. M. 12. 36), so gebt uns wieder all das Gold und Silber! « Wieder war es Ge-biha b. P., der Anwalt der Juden. Er entgegnete: »Euer Beweis gründet sich auf unserer heiligen Schrift, so denn hole auch ich mir den Gegenbeweis aus derselben. Es heißt in 2. Mos. 12. 36: >Und der Aufenthalt der Israeliten in Ägypten war 43o Jahre.< 600.000 Mann haben in dieser Zeit Sklaven­dienst verrichtet, so gebt uns den Lohn dafür und wir werden euch das entlie­hene Gold und Silber wieder geben.« Es saßen Philosophen und rechnteten, aber kaum gelangten sie zu einer Zeit von 100 Jahren und der Arbeitslohn betrug schon so viel, dass ganz Ägyp­ten in eine Schatzkammer hätte ver­wandelt werden müssen, um den Lohn auszahlen zu können. Alexander gab ihnen hierauf noch eine Bedenkzeit von drei Tagen und als sie auch da nichts dagegen vorzubringen wussten, zogen sie sich beschämt zurück. Nach diesen waren es die Ismaeliten, die gegen die Juden vor Alexander d. Gr. klagbar auftraten. »Das von Gott Abraham, unserem Ahnherrn, verheißene Land Palästina, das die Israeliten in Besitz nahmen und die Juden jetzt bewohnen, gehört uns, denn Ismael, unser Stamm­vater wird auch in der Bibel als ältester Sohn Abrahams anerkannt, wo das Gesetz von dem Erstgeborenen anord­net, >Den Erstgeborenen, den Sohn der Verhassten, soll er anerkennen, ihm ei­nen zweifachen Anteil zu geben< (5. M. 21. 17).« Wieder war es Gabiha b. P., der Anwalt der Juden; er entgegnete: »Aber in derselben heiligen Schrift heißt es ja auch: >Und Abraham gab al­les, was er hatte, dem Isaak, aber den Söhnen der Kebsweiber teilte er Ge­schenke aus< (1. M. 2.5. 5. 6.); darf der Vater nicht einem alles geben, wenn er sich früher mit den anderen Söhnen durch Geschenke abgefunden hat?« Die Ismaeliten wussten dagegen nichts zu antworten und mussten sich eben­falls beschämt zurückziehen. Andere Gespräche, welche die Sage in diese Zeit setzt, haben die biblische Schöp­fungslehre und Gegenstände aus der Ethik des Judentums zu ihrer Erörte­rung. Zehn Fragen, erzählt sie, richtete Alexander der Große an die Alten (Weisen) des Südens, nämlich an die Weisen Ägyptens, wohl Alexandriner. Alexander: »Welche Entfernung ist größer, die vom Himmel zur Erde oder die von Ost nach West?« Die Alten des Südens: »Die von Ost nach West, denn so die Sonne im Osten oder Westen sich befindet, können alle sie betrach­ten, steht sie dagegen mitten im Him­mel, werden sie nicht alle zu betrachten vermögen (d. h. im ersten Falle wird ihr Strahlenlicht durch die größere Entfer­nung abgeschwächt, was nicht im zweiten Falle geschieht, daher eine kleinere Entfernung vermutet wird.«) Alexander: «Was ist erst geschaffen worden, der Himmel oder die Erde?« Die Alten: «Der Himmel, denn es heißt: Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde (1. M. 1. 1). « Alexander: »Ist das Licht oder die Finsternis erst ge­schaffen?« Die Alten: »Diese Frage ist unbeantwortbar.« (Die Weisen in Pa­lästina, heißt es in einem Einschiebsel, bemerkten hierzu, sie hätten die Fins­ternis angeben können nach: »Und die Erde war öde und vermischt, Finsternis deckte den Abgrund. Gott sprach, es werde Licht! « Aber sie wollten mit die­ser Verneinung weiteren Fragen vor­beugen, als z. B. der, was über uns und unter uns sei, was vor der Welt war und was nach derselben sein werde u. a. m. Alexander: »Wer ist weise?. Die Alten: »Der die Zukunft kennt.« Alexander: »Wer ist stark?« Die Alten: »Der seine Begierden unterdrückt.« Alexander: »Wer ist reich?« Die Alten: »Der sich mit dem begnügt, was er be­sitzt.« Alexander: »Was soll der Mensch tun, um zu leben?« Die Alten: »Er soll sich töten«, d. h. seine sinn­lichen Triebe abtöten. Alexander: »Was soll der Mensch tun, um zu sterben?. Die Alten: »Er gebe sich dem Leben hin.« Alexander: »Wie erwirbt man sich die Liebe der Menschen?. Die Al­ten: »Man hasse König und Herrscher und tue Gutes mit den Menschen.« Alexander: »Wo wohnt sich's besser, auf dem Festlande oder auf dem Meer?« Die Alten: »Auf dem Fest­lande, da die Seefahrer sich erst nach Erreichen desselben beruhigt fühlen.« Diesen reihen sich die Religionsgesprä­che an, welche die Sage, als aus einer älteren Zeit herrührend, angibt. Wir bringen von denselben das, welches der Sage nach angeblich zwischen Abra­ham und Nimrod stattfand. Es lautet: Nimrod: »Willst du dich vor den Göt­zen deines Vaters nicht bücken, so bete das Feuer an!« Abraham: »Aber wa­rum das Feuer und nicht das Wasser, welches das Feuer erlöschen kann.« Nimrod: »So bete das Wasser an.« Ab­raham: »Das Wasser und nicht die Wolken, die das Wasser in sich tra­gen?« Nimrod: »So bete die Wolken an.« Abraham: »Aber warum die Wol­ken und nicht den Wind, der die Wol­ken zerstreut?« Nimrod: »So bete den Wind an.« Abraham: »Doch lieber den Menschen, der den Wind erträgt.« Nimrod: »So bete den Menschen an.« Abraham: »Aber warum den Men­schen, der da stirbt und nicht den ewig lebenden Gott! «

2. Die Gespräche aus dem Jahrhun­dert vor und dem nach der Eroberung Jerusalems durch Titus. Den ersten Platz hier verdienen die Religionsge­spräche des Volks- und Gesetzeslehrers Hillels I. Ein Heide, wird erzählt, kam vor den Gesetzeslehrer Samai mit der Bitte, ihn ins Judentum aufzunehmen, aber mit der Bedingung, ihn nicht auf das mündliche Gesetz zu verpflichten. Er wurde von ihm zurückgewiesen. Derselbe suchte Hillel auf und wieder­holte bei ihm dieselbe Bitte. Komm, rief er ihm freundlich zu, dass ich dich in schriftlichem Gesetz unterrichte. Er lehrte ihn das hebräische Alphabet in ordnungsmäßiger Reihenfolge. Am an­deren Tage begann er den Unterricht in entgegengesetzter Ordnung. Der Heide wunderte sich darüber und sprach: »Hast du mich doch gestern nicht so unterrichtet!« »Siehst du«, entgegnete ihm dieser, »dass meine mündliche Be­lehrung an dich gestern alles ist, worauf du dich heute stützt, so ist es mit der mündlich überlieferten Lehre, wel­che die schriftliche ergänzt.« Der Heide erkannte nun auch die Tradition, das mündlich überlieferte Gesetz, an. Ein anderes Mal kam wieder ein Heide vor Samia, er möchte ihn ins Judentum aufnehmen, aber er solle ihm die ganze Thora, das Gesetz, in der kurzen Zeit lehren, als er auf einem Fuß stehen könne. Samai geriet in Zorn und ver­jagte ihn mit dem Messstab, den er in der Hand hatte. Der Heide ging zu Hil­lel und trug ihm obiges Verlangen vor. Dieser sprach zu ihm: »Was dir unlieb ist, füge deinem Nebenmenschen nicht zu, das ist das ganze Gesetz, alles an­dere ist seine Erklärung, gehe und lerne.« Wieder suchte ein Heide den Samai auf und bat um Aufnahme ins Judentum unter der Bedingung, dass er ihn zum Hohenpriester mache. Samai griff wieder zornig nach dem Messstab und verjagte ihn. Aber auch dieser stellte sich mit seinem Wunsche bei Hillel ein. Derselbe verjagte ihn nicht, sondern sprach zu ihm: »Ein König muss sein Gesetz kennen, so komme und lasse dich darin unterrichten.« Er las mit ihm in dem Gesetz und als er an die Stelle kam: »Der Fremde, der sich dem Altar nähert, hat den Tod ver­dient«, fragte er erschrocken: »Auf wen beziehe sich das Gesetz? »Auch auf den König David, wenn er noch lebte und sich dem Altar zur Opferdar­bringung nähern würde.« Jetzt erst er­kannte er das Törichte seines Verlangens; er war dem Lehrer Hillel dankbar, dass er ihn trotz seines unsinnigen Wunsches ins Judentum aufnahm und eines Besseren belehrt hatte. Gegen Ende desselben Jahrhunderts treffen wir den Gesetzeslehrer R. Jochanan ben Sakai in Religionsgesprächen mit vielen gebildeten Heiden. Verschiedene Römer, mit denen er verkehrte, richte­ten an ihn Fragen über vermeintliche Schwächen des jüdischen Gesetzes und des jüdischen Schrifttums. In der Be­antwortung solcher Fragen stellte er sich auf den Standpunkt des Gegners und suchte ihn mit seinen eigenen Waf­fen zu bekämpfen, wobei es oft nicht an ironischen Anspielungen fehlte. Da­gegen ging er im Kreise seiner Jünger bei Erörterung desselben Gegenstandes auf die Sache tiefer ein, wo die Ant­wort allerdings anders ausfiel. So sprach ein Heide vor ihm seine Ver­wunderung aus über das Verfahren mit der Asche von der verbrannten roten Kuh, die, mit Wasser vermischt, die Kraft haben soll, den an einer Leiche Verunreinigten zu reinigen. Dieser ant­wortete, ob er nicht die übliche Weise der Vertreibung böser Geister von Be­sessenen durch Kräuterräuchern und Wasserlibation kenne, so verhält es sich mit diesem Gesetze. Es war eine Antwort vom Standpunkte des Heiden, die jedoch seinen Jüngern nicht ge­nügte. Sie wiederholten an ihn dieselbe Frage und erhielten in der Tat eine an­dere Antwort. »Wisset«, sprach er, »nicht das Wasser mit der Asche reinigt, auch die Leiche verunreinigt nicht, aber ein Gesetz Gottes ist es, worüber wir nicht weiter forschen sollen. « Eine zweite Diskussion, ebenfalls mit einem Heiden, betraf die zweiten Gesetzesta­feln der Zehngebote, die zum Unter­schiede von den ersten, Moses selbst herbei zu schaffen hatte. »Warum«, fragte dieser, »waren die ersten zwei Gesetzestafeln von Gott und die zwei­ten nach Israels Abfall von Moses?« »So höre«, antwortete er ihm: »Ein König vermählte sich mit einer Frau aus dem Sklavenstande. Er liebte sie so sehr, dass er selbst alles, auch Papier, Tinte und Feder zur Abfassung des Ehekontraktes herbei brachte. Aber sie vergaß schnell ihre Königswürde und scherzte, wie früher, mit Sklaven. Der König konnte ihr diese Untreue nicht vergessen und entließ sie. Da nahm sich ihrer ihr Brautführer an. >Herr, o König!< bat er, >berücksichtige ihren früheren Stand und verzeihe!, Diese Worte verfehlten nicht ihre Wirkung; er sprach: >So denn, besorge du jetzt alles zur zweiten Vermählung!, So sollte auch Moses nach dem Abfalle Is­raels zur Wiederaussöhnung des Vol­kes mit seinem Gotte die zwei steiner­nen Tafeln der Zehngebote selbst herbeischaffen. « Die dritte Frage bringt einige vermeintlichen Ungenauigkeiten in den Zahlenangaben der Leviten in 4. B. M. 3. 22.. 28. 34. und 39, wo in der letzten Stelle die Gesamtheit der Levi­ten auf 22.000 Mann angegeben wird, und doch lauten die Zahlenangaben derselben in den ersten drei Stellen 22.300, ferner spricht man in 2. B. M. 38. 26. 27 von 200 Kikar und Silber, während nach Vers 27 daselbst nur too Kikar zur Verwendung kamen. Es war ein Römer namens Centaurikos, der ihm diese Frage vorlegte. Er ant­wortete: In Bezug auf ersteres, dass die fehlenden 300 Leviten die 300 Erstge­borenen waren, die nicht in Anrech­nung kommen konnten. Bei dem Zwei­ten sei zu bedenken, dass die Gewichte bei dem Heiligtum in doppeltem Ver­hältnisse zu denen für den Privatver­kehr standen, sodass 100 heilige Kikar gleich 200 Profankikar waren. Eine vierte Frage machte ihn auf den Wider­spruch von 1. M. 1. 20 und 1. M. 2. 19 aufmerksam. In einer fünften Unterre­dung wird er nach dem Tag gefragt, wo Heiden und Juden gemeinsam ei­nen Freudentag begehen können; er gab den Tag des Regens als solchen an. In einer Sechsten sollte er den Grund des Gesetzes 2. M. 21. 29 angeben, das auch den Besitzer eines stößigen Och­sen, der einen Menschen getötet, zum Tode verurteilt. Er antwortete: »Der Genosse des Mörders ist dem Mörder gleich.« Umfassender sind diese Art von Religionsgesprächen in dem fol­genden Jahrhundert; es war die beweg­teste Zeit in der jüdischen Geschichte, die Jahre des barkochbaischen Auf­standes gegen die römische Herrschaft in Palästina, wo die Juden nochmals ihre Freiheit und nationale Selbststän­digkeit zu erkämpfen suchten. Die Volks- und Gesetzeslehrer dieser Zeit, welche Religionsgespräche mit vorneh­men Römern, Feldherren und syrischen Statthaltern führten, waren der Patri­arch R. Gamliel II; R. Josua, Sohn Chananja, R. Akiba, R. Elieser, R. Is­mael u. a. m. Der Patriarch R. Gamliel II. war außer seiner bedeutenden jüdischen Gesetzeskunde auch in den anderen Wissensfächern heimisch. Seine Stellung brachte ihn in Verkehr mit der vornehmen Römerwelt in Pa­lästina, mit deren Persönlichkeiten er oft Religionsgespräche führte. Das Thema derselben war: Gott, Götzen­dienst, die Schöpfung, die Offenba­rung, der Shabbath u. a. m.

a. Gott und die Gottesoffenbarung. Die erste Gottesoffenbarung an Moses war im Dornbusche. »Warum gerade da?«, fragte ein Heide. R. Gamliel ant­wortete: »Als Lehre für den Menschen, dass kein Ort, auch nicht der geringfü­gigste, von Gottesgegenwart leer sei. « Ein anderer Heide richtete an ihn die Frage: »Ihr behauptet, dass an jedem Orte, wo zehn Israeliten zur Andacht beisammen sind, die Gottheit (Sche­china) anwesend sei, wie viel Gotthei­ten muss es da geben?« Er entgegnete: »Du siehst die Strahlen der Sonne an allen Orten leuchten. Die Sonne ist ei­ner der vielen Diener Gottes und ver­mag dies, sollte es Gott unmöglich sein!«

b. Der Götterglaube und der Göt­zendienst. Das Verbot des Götzen­dienstes bildete gewöhnlich das Thema zwischen den gebildeten Heiden und den Juden. So fragte ein Philosoph den R. Gamliel: »Warum eifert euer Gott so sehr gegen die Götzendiener und nicht gegen die Götzen selbst?« Er ant­wortete: »Ein König hatte einen einzi­gen Sohn, der einen Hund hatte, den er nach seinem Vater nannte. So oft er schwor, rief er unsinnig: >Beim Leben meines Hundes, meines Vaters!< Über wen sollte der Vater zürnen, über den Hund oder über den Sohn? Über letzte­ren sicherlich!« »Aber«, wiederholte dieser, »an den Götzen muss doch et­was sein, denn in unserer Stadt brach Feuer aus, die ganze Stadt brannte nie­der, nur nicht der Tempel mit seinen Götzen.« Ironisch erwiderte er: »Wenn ein König Krieg führt, so führt er den­selben mit den Lebenden oder mit den Toten?. Nun kam er mit der Haupt­frage: »Warum vernichtet Gott nicht die Götzen?« »Weil es Gegenstände sind, die die Welt nicht entbehren kann: Sonne, Mond, Sterne u. a. m. Soll die Welt wegen dieser Narren unterge­hen?« »Mag er die anderen Götzen vernichten!« »Auch dieses nicht, damit man nicht von diesen den Schluss auf die Wahrhaftigkeit der anderen Götzen ziehe, die von der Vernichtung ver­schont geblieben.. Ein anderes Mal war es ein Feldherr Agrippa, der eben­falls von dem Eifern der Bibel gegen den Götzendienst sprach: »Es eifert nur ein Weiser gegen einen Weisen, ein Held gegen einen Helden, aber nicht ein Großer gegen einen Niedrigen. « Er antwortete: »So ein Mann zu seiner ersten Frau eine zweite heiratet, so wird die Erste gewiss nur gegen die Zweite eifern, nicht wenn sie vornehm, son­dern wenn sie niedriger ist.« Ein ande­res Mal suchte Gamliel das der Göttin Aphrodite geweihte Bad zu Akko auf. Ihn sah der Philosoph Proklus; er nä- herte sich ihm mit der Frage: »Es heißt in eurem Gesetze: >Es soll in. deiner Hand nichts von dem Banne bleiben<, und du badest im Bade der Aphrodite? « R. Gamliel antwortete: »Ich kam nicht in ihrem Bereich, sie kam in meinen Be­reich; das Bad ist nicht zum Schmuck der Aphrodite da, sondern die Aphro­dite zum Schmuck des Bades; das Bad war erst da und später setzte man die Aphrodite hierher.«

c. Die Weltschöpfung und ihre Ur­stoffe. Die Annahme von Urstoffen bei der Weltschöpfung war den Juden nicht unbekannt. Dieselbe fand unter ihnen ihre Anhänger, aber auch ihre Gegner. Beide suchten ihre Beweise in der Bibel auf, so entstanden mehrere Kontroverse über diesen Gegenstand. Es redete ein Philosoph R. Gamliel an: »Euer Gott war ein großer Bildner, aber er fand auch gute Urstoffe vor: das Tohu und Bohu, die Finsternis, den Wind, das Wasser und die Abgründe, sämtliche Gegenstände existierten nach der Bibel schon vor der Schöpfung.« »Wohl«, antwortete dieser, »sind sie so in der Schrift genannt, aber stets mit der sie näher bestimmenden Angabe: bara, dass sie geschaffen wurden.. Ein anderer, wahrscheinlich ein Anhänger des Parsismus, fragte Gamliel: »Auch nach der Bibel ist der Gott, der die Berge geschaffen, nicht der, der den Wind hervor gebracht, denn es heißt: Er bildet die Berge und schafft den Wind, also zwei verschiedene Ausdrü­cke: schaffen und bilden, die auf zwei Schöpfer hindeuten. « Aber dieselben Ausdrücke kommen auch bei der Schöpfung des Menschen vor: 1. M. 2. 7. »er bildete« und 1. M. 5. 1. erschaf­fen. »So ist es«, entgegnete dieser, »auch bei dessen Schöpfung waren zwei Götter tätig.« »Aber«, erwiderte R. Gamliel, »woher die Übereinstim­mung dieser Götter beim Tode des Menschen, dass nicht ein Schöpfungs­teil dieses Gottes am Menschen noch lebendig bleibt, wenn der des anderen tot ist! «

d. Schöpfung des ersten Menschen­paares. Von derselben haben wir das scherzende Wort eines Heiden an R. Gamliel über die Schöpfung des Wei­bes aus der Rippe des Mannes, die ihm im Schlafe ohne sein Wissen genom­men wurde: »Euer Gott ist ja ein Dieb!« »Ein Dieb«, entgegnete dessen Tochter, »der anstatt eines silbernen Leuchters einen goldenen gab, für ein Stück Fleisch ein lebendiges Wesen zur Gehilfin ihm zugesellte. «

e. Der Shabbath. Das Shabbathge­bot hat bei den Griechen und Römern, besonders seitdem dasselbe in Rom viele Anhänger gefunden, viele Anfein­dungen erfahren. Die strenge Beobachtung des Shabbaths, wie Juden, die Chassidäer, in den Kämpfen mit den Syrern und später wieder in dem Kriege gegen die Römer am Shabbath bei der größten Lebensgefahr nicht kämpfen wollten und sich lieber vom Feinde nie­dermetzeln ließen, war den sie umge­benden Heiden ganz unverständlich. R. Gamliel wurde bei seiner Anwesen­heit in Rom gefragt: »Ihr behauptet, dass euer Gott selbst hält, was er ande­ren befiehlt, er hat die Ruhe am Shab­bathtage geboten, warum beobachtet er dieselbe nicht in seiner Weltleitung?. »Die Welt«, antwortete dieser, »in der auch am Shabbath alles in Bewegung ist, gleicht in Bezug auf Gott einem Hofraum, in dem das Shabbathgesetz die Bewegung von Sachen den Israeli­ten gestattet. «

f. Auferstehung. Ein Heide fragte R. Gamliel II.: »Ihr behauptet die To­ten werden auferstehen, aber kann wohl Staub wieder aufleben?« Da er­bat sich seine Tochter die Erlaubnis dem Fragenden zu antworten; sie sprach: »Zwei Töpfer gibt es, der eine macht die Töpfe aus Wasser, der an­dere bildet sie aus Ton, welchem gehört der Vorzug? ersterem! Nun, wenn Gott die Welt aus Wasser geschaffen, sollte er nicht den Menschen aus Staub wie­der bilden können.. Nächst dem Patri­archen nennen wir dessen Stellvertreter im Synhedrion; es ist der Gerichtsprä­sident R. Josua ben Chananja. Seine alllseitigen Kenntnisse erweiterten sei­nen Gesichtskreis; er verkehrte mit vornehmen Römern, was ihn zur Auf­nahme von Proselyten besonders befä­higte. Er zeigte sich gegen sie mit einnehmender Freundlichkeit und be­rücksichtigte in der Beurteilung ihrer bisherigen Lebenweise den heidnischen Standpunkt, den sie bis dahin einge­nommen hatten. So kam es, dass er Heiden als Proselyten aufnahm, die von seinem Kollegen, dem Gesetzesleh­rer R. Elieser, zurückgewiesen wurden. Eine Frau, wird erzählt, kam vor R. Elieser und bat ihn, sie ins Judentum aufzunehmen: Er fragte nach ihrer bis­herigen Lebensweise und als sie in dem Bekenntnis ihres sündhaften Wandels von ihrem unzüchtigen Leben erzählte, sie habe ihren jüngsten Sohn mit ihrem ältesten Sohn gezeugt, jagte er sie da­von. Sie wandte sich an R. Josua, der ihr die Aufnahme ins Judentum gestat­tete. Den darüber erstaunten Jüngern rief er zu: »Die Frau hat seit ihrem Ent­schlusse, eine Jüdin zu werden, mit ih­rem früheren (heidnischen) Leben ge­brochen, sie ist demselben abgestorben und wird nicht zu ihm wieder zurück­kehren. « Von Bedeutung war die Auf­nahme des schon genannten Akyles (Aquila) aus der Stadt Synope in der Landschaft Pontus ins Judentum, ei­nem fein gebildeten Griechen, der das Judentum wohl früher durch die Sep­tuaginta kennen lernte und sich nach Palästina begab, um von seinem Ent­schlusse, Jude zu werden, Ernst zu ma­chen. Er besuchte den Gesetzeslehrer R. Elieser und äußerte sich geringschätzig über die Schriftworte: »Und er liebt den Fremden (Proselyten), ihm Brot und Gewand zu geben« (5. M. 10), als eine von Gott gerühmte Tat, die jeder Reiche zu tun im Stande sei. Das machte auf ihn einen solch schlechten Eindruck, dass er Akyles aus seinem Hause wies. Akyles ging darauf zu R. Josua und brachte ihm ebenfalls seine geringschätzige Meinung über den be­treffenden Bibelvers vor. Aber dieser kam dem Fremden mit freundlichen Worten entgegen und belehrte ihn, dass man diese Stelle allegorisch auffassen könne, wo man unter »Brot« die Lehre und unter »Gewand« das Ehrenge­wand der Tugend zu verstehen habe. Akyles trat darauf ins Judentum und wurde ein warmer Verehrer desselben. Wichtig waren seine Religionsgesprä­che mit dem Kaiser Hadrian. Hadrian selbst spricht in einem Briefe von sei­nem Zusammentreffen mit dem jüdi­schen Patriarchen, mit dem er manche scherzhaften Gespräche hatte. So re­dete einst Hadrian R. Josua an: »Ich bin größer als Moses, denn es heißt in eurem Schrifttum: Besser ein lebendi­ger Hund als ein toter Löwe« (Kohel. 9. 4). Dieser antwortete: »Vermagst du es, dass niemand drei Tage Feuer an­zünde.« »Jawohl!« entgegnete er und erließ darüber ein Verbot. Aber schon am Abend desselben Tages sah er selbst Rauch aus seinem Haus aufsteigen. Auf sein Befragen hörte er, dass ein Oberster krank wurde und Feuer ma­chen ließ. »Siehe«, sagte darauf der Rabbi, »dein Gebot konnte während deines Lebens nicht gehalten werden, aber das Gesetz Moses, das mehrere tausend Jahre alt ist, welches am Shab­bathtage das Feueranzünden verbietet, wird noch gehalten.« Ein anderes Mal sprach Hadrian seine Bewunderung über das Bestehen des jüdischen Volkes trotz der vielen Verfolgungen aus: »Groß ist das Lamm (Israel), das unter siebzig Wölfen besteht!« »Nicht das Lamm ist groß«, antwortete dieser, »sondern Gott, der es schützt!« Die­sem lassen wir ein Religionsgespräch des Lehrers R. Jose Hakohen folgen. Die Proselytin Veturia fragte: »Es heißt: er (Gott) schont kein Ansehen, (5. M. 10. 17) und doch lesen wir anderwärts: Der Ewige wendet dir sein Angesicht zu (4. M. 6. 26)?« R. Jose antwortete: »Es hatte sich jemand von einem Be­kannten eine Summe Geldes geliehen und ihm beim Leben des Königs ge­schworen, sie zur bestimmten Zeit zu­rückzugeben. Die Zeit kam heran und der Mann hielt kein Wort. Dieser Wort­bruch wurde dem König hinterbracht. Der Schuldige hörte davon und eilte zum König, um seine Gnade anzufle­hen. Dieser antwortete: >Das Vergehen gegen mich vergebe ich, aber die Schuld ist die Sache des Gläubigers, ihm ge­nüge!< So erklären sich auch obige zwei Schriftstellen. Gott ist nachsichtsvoll (er wendet sein Angesicht zu) bei Sün­den, die gegen ihn begangen werden; aber nicht bei den Sünden gegen die Mitmenschen.. Viel ernster sind die Gespräche mit dem Gesetzeslehrer R. Akiba. Derselbe ist der hervorragendste Gelehrte seiner Zeit, der einen tätigen Anteil an dem barkochbaischen Ruf­stande nahm und nach dessen Besie­gung durch die Römer den Märtyrer­tod willig erlitt. Früher schon und wohl auch während seiner Gefangenschaft hatte er mehrere Unterredungen mit den Häuptern der römischen Obrigkeit und mit anderen Heiden, in denen er als Apologet seines Glaubens auftrat.

a) Götzendienst. »Ich und du, wir wissen wohl, dass an den Götzen nichts sei, aber woher kommt es, dass Men­schen, die in deren Tempel krank hin­ein gehen, aus demselben gesund her­auskommen?«, redete ihn ein Heide an. »Wenn«, antwortete Akiba, »die Leidenszeit in dem Augenblicke zu Ende ging, wo der Kranke in dem Tem­pel war, soll etwa Gott die Genesung nicht eintreten lassen, weil dieser sich im heidnischen Götzentempel befin­det?«

b) Der Shabbath. Tinius Rufus, oder wie ihn die jüdische Geschichte nennt, Tyrannos Rufus, fragte R. Akiba: »Was ist der Shabbath anders, als jeder Tag der Woche, dass ihr an demselben ruhet?« Dieser entgegnete: »Was würdest du antworten, wenn man dich fragte: Was bist du besser als die anderen Menschen, dass du mehr als diese sein willst?« »Mir kommt das zu, denn ich erfreue mich der Gunst des Kaisers!«, erwiderte jener. »Wie dies bei dir der Fall ist, so fand auch Gott am Shabbath Wohlgefallen«, schloss der Rabbi seine Unterredung.

c) Die Beschneidung. Tinius: »Wel­che Werke sind schöner, des Menschen oder Gottes?« R. Akiba: »Die des Men­schen.« Tinius: »Nicht doch! Kann der Mensch Himmel und Erde erschaffen? « Akiba: »Das nicht, aber dennoch sind des Menschen Werke schöner. Denn siehe, hier liegt ein Brot und dort siehst du die durch Gott gewachsenen Ähren mit Körnern, welches von beiden er­scheint dir vollendeter, das Brot, das Werk des Menschen oder die Ähren, das Werk Gottes? ersteres gewiss! « Ti-nius: »Warum lasset ihr euch beschnei­den?« Akiba: »Ha, wusste ich doch bald, worauf du ausgingst, darum sagte ich von vorne herein: Das Werk des Menschen ist vorzüglicher. « Tinius: »Aber warum werdet ihr in dieser Ge­stalt nicht geboren?« Akiba: »Damit wir durch eigenes Werk uns selbst voll­enden. «

d) Die Wohltätigkeit. Auch darüber wird von folgendem Gespräch zwi­schen diesen zwei Männern erzählt: Tinius: »Wenn euer Gott die Armen liebt, warum sorgt er nicht für deren Unterhalt?« Akiba: »Damit wir Gele­genheit haben, uns durch Liebeswerke von den Strafen der Hölle zu retten.« Tinius: »Im Gegenteil, dadurch zieht ihr euch dieselben zu. Denn so ein Kö­nig wegen eines Verbrechens über ei­nen seiner Sklaven zürnt und ihn zu Hunger und Durst in das Gefängnis werfen lässt, würde sich nicht der der Strafe schuldig machen, der es wagte, demselben dennoch Speise und Trank zu reichen?« Akiba: »Aber denke dir, ein König zürnt seinem Sohne wegen eines Vergehens, den er ebenfalls in ein Gefängnis sperrt und ihn ohne Speise und Trank lässt. Würde er da denjeni­gen bestrafen, der den Sohn durch Darreichung von Speise und Trank von der Pein des Hungertodes rettete? Ge­wiss nicht! Und die Menschen sind Kinder Gottes«, denn es heißt: »Kinder seid ihr des Ewigen eures Gottes (5. M.).« Im Anfange des zweiten Jahr­hunderts waren es die Gesetzeslehrer R. Josua ben Korcha, R. Jose und R. Mair, die Religionsgespräche mit Hei­den hatten. Von ersterem wurden fol­gende Gespräche angeführt.

Gottes Allwissenheit: Ein Heide: Wenn euer Gott die Zukunft kennt, warum heißt es: »Gott bereute, dass er den Menschen geschaffen (1. M. 6. 6)?« R. Josua: »Wurde dir je ein Sohn geboren?« Der Heide: »Ja!« R. Josua: »Was hast du da getan?« Heide: »Ich freute mich und erfreute andere.« R. Josua: »Aber dachtest du nicht, dass dieser Sohn einst sterben werde?. Der Heide: »Zur Zeit der Freude freut man sich und zur Zeit der Trauer trauert man.« R. Josua: »So ist es auch bei Gott.«

Die Mehrheit der Heiden. Derselbe Gesetzeslehrer wurde von einem ande­ren Heiden gefragt: »Euer Gesetz be­fiehlt, sich nach der Mehrheit zu rich­ten (2. M. 23. 2), jetzt bilden wir die Mehrheit, warum schließt ihr euch nicht uns an?« Er richtete eine Gegen­frage: »Hast du Kinder?« Der Heide seufzte: »Eine schmerzliche Erinne­rung; ich habe mehrere Söhne und wenn sie beisammen sind, lobt der eine diese Gottheit, der andere jene Gott­heit bis sie in Zank geraten und in Un­frieden sich trennen.« Das hörte der Rabbi und rief sichtlich erfreut aus: »Du vermagst nicht unter deinen Kin­dern die Meinungseinheit herzustellen, wie verlangst du, dass wir mit dir einer Meinung sein sollen.« Schärfer als hier fallen die Antworten des um eine Ge­neration jüngeren Volks- und Gesetzes­lehrers R. Mair aus. Diesen fragte ein Heide: »Jakob war, nach eurer Mei­nung, ein redlicher Mann, warum son­derte er nur, da er Gott den Zehnten von all seinem Besitze gelobte, den Stamm Levi als Gott geweiht ab; er hatte doch zwölf Söhne? « R. Meir ant­wortete: »Jakob hatte nicht zwölf Söhne, sondern vierzehn Söhne, da er auch Josephs Söhne, Ephraim und Me-nasche, als seine Kinder anerkannte. Nur ist zu bedenken, dass zu denselben vier Mütter gehörten, von denen vier Söhne, Erstgeborene, bereits heilig wa­ren, so dass Jakob von den übrig ge­bliebenen zehn Söhnen richtig ein Zehntel abgesondert hatte.« Dem Hei­den gefiel diese Antwort. Einem ande­ren Heiden, der ihn über den Glauben von der Auferstehung fragte, entgeg­nete er, dass derselbe in dem Gottver­trauen des Menschen wurzle, der Schöpfer werde das ihm vertraute Gut zur Zeit wieder geben. Wenn wir in den Erwiderungen dieses Gelehrten das tiefere Eingehen auf die Sache vermis­sen, so befriedigt uns darin vollständig sein Zeitgenosse, R. Jose, den wir jetzt als Apologeten auftreten lassen. Aus seiner Lebensgeschichte wissen wir, dass er von der römischen Behörde in Folge seiner offenen Äußerungen gegen dieselbe gezwungen wurde, Palästina zu verlassen. Er lebte längere Zeit im Auslande zu Assia, wo er mit einer ge­bildeten vornehmen Heidin, Matrone, mehrere interessante Unterredungen hatte.

a. Gottes Vorsehung. In Daniel 2. 21 heißt es: »Er gibt den Weisen Weis­heit. « »Wäre es nicht rühmlicher, fragte diese Frau, wenn er den Toren Weisheit verliehe?« R. Jose antwortete: »Gott gibt nur denen Weisheit, die für die­selbe empfänglich sind, gleich den Menschen, die nur dem ein Gut anver­trauen, von dem sie sicher sind, er werde den würdigen Gebrauch davon machen.« Ein anderes Mal wurde er gefragt, was Gott seit Vollendung sei­nes Schöpfungswerkes tue? »Er macht Leitern und lässt auf denselben den einen hinaufsteigen, den anderen he­runtersteigen«, war seine bildliche Antwort, mit der er auf die göttliche Weltleitung hinwies. Von einer anderen Antwort auf diese Frage berichtet eine andere Stelle: »Er bestimmt Ehepaare und sorgt für deren Zusammentref­fen.« »Hierzu bedarf es so viel?«, ent­ gegnete die Matrone. »Das vermag ich auch.« Sie ließ darauf eine Menge von ihren Sklaven und Sklavinnen vor sich kommen und bestimmte sie für einan­der. Doch bald überzeugte sie sich von der Schwierigkeit ihres Werkes. Schon am nächsten Morgen war unter densel­ben Zank und Streit, nicht einer mochte von der ihm zugedachten Eheverbin­dung wissen. »Du siehst«, rief darauf der Rabbi ihr zu, »wie schwer es ist, Ehebestimmungen zu treffen! «

b. Geschichtliches. Dieselbe Ma­trone äußerte über den im 1. B. Moses erzählten Widerstand Josephs gegen die Frau des Potiphar einigen Zweifel. Ein junger Mensch dieses Alters sollte sich so fest erwiesen haben. R. Jose hatte nichts Besseres zu tun, als ihr die Bibelstellen aufzuschlagen, wo sie die Berichte von der Begebenheit Rubens mit Bilha, Jehudas mit Tamar lesen könne und rief ihr zu: »Du siehst, die Schrift verschweigt nichts, warum hätte sie es hier verschwiegen!« Eine ähnliche zweite Frage von ihr war: »Nach der Schrift ließ Gott einen Schlaf auf Adam fallen, um ihm die Rippe zu nehmen, aus der er Eva gebil­det hat, warum dies in der Weise eines Diebstahls?« Er erwiderte: »So einer dir eine Unze Silber anvertraute und du ihm dafür eine Unze Gold zurückgeben würdest, ist das wohl ein Diebstahl? Adam hat für seine Rippe ein Weib, eine Gefährtin erhalten. « »Aber wa­rum geheim? « entgegnete diese. Er ant­wortete: »Wäre diese Schöpfung aus Blut und Adern vor seinen Augen vor­genommen, er würde sicherlich kein Wohlgefallen an seinem Weibe gefun­den haben. Die Fragende erklärte sich mit dieser Antwort einverstanden und erzählte, wie sie für den Bruder ihrer Mutter bestimmt gewesen, aber weil sie mit ei-nander aufgewachsen, konnte sich dieser zu ihr nicht entschließen und heiratete eine andere.

c. Tod und Unsterblichkeit. Über die biblische Angabe von Chanoch, dass Gott ihn genommen, die das Christentum auf die Himmelfahrt des­selben als Vorbedeutung der Himmel­fahrt Jesu erklärt, wollte sie von ihm Aufschluss haben. »Man findet hier (1. M 5. 24) nicht, dass er gestorben war«, sagte sie. Er entgegnete ihr: »Doch es heißt: >und er war nicht da< (1. M. 5. 24), das deutet auf ein Gestorbensein hin.« Ein anderes Mal gab er Auf­schluss über Koheleth 3. 21. »Der Geist des Menschen steigt hinauf, aber der des Tieres sinkt herab«, dass ersteres sich auf den Frommen beziehe, dage­gen gelte das andere von dem Sünder, dem ins Materielle versunkenen tieri­schen Menschen. In der letzten Hälfte des zweiten Jahrhunderts lebte der Pa­triarch R. Juda I.; mit demselben hatte ein Antoninus, römischer Kaiser, meh­rere Unterredungen über religiöse Ge­genstände. Wir verweisen über diesel­ben auf den Artikel: »Jehuda der Fürst«. Im dritten Jahrhundert n. ge­langte in Persien nach dem Sturze der Arsaciden die Dynastie der Sassaniden zum Throne. Mit denselben kam die Religion des Parsismus wieder zur vol­len Herrschaft. Die Magier erhielten die Obermacht im Reiche und ließen sie die Andersgläubigen gar sehr füh­len. Es entstanden zwischen diesen und jenen Religionsgespräche, welche die Bekehrung zum Parsismus erzielen sollten. Wir bringen von denselben: Amemar, ein jüdischer Volks- und Ge­setzeslehrer, wurde von einem Magier angeredet: »Dein oberer Teil, des Men­schen oberer Teil, als z. B. der Kopf, Sitz des Geistes und der Vernunft, das Herz, Stätte der Gefühle — ist von Or­muzd, dem Gott des Lichtes; der untere Teil aber von Ahriman, dem Gott der Finsternis«, womit er andeuten wollte, dass des Menschen Zusammensetzung aus solch entgegengesetzten Teilen den Beweis von den zwei Gottheiten des Parsismus, dem des Lichtes und dem der Finsternis, liefere. »Wenn dem so wäre«, antwortete der Angeredete, »würde doch nicht Ahriman den Ab­zug des Ormuzd, des oberen Teiles des menschlichen Körpers, durch sein Ge­biet gestatten. « Das ungestörte Zusam­menwirken dieser beiden Teile im menschlichen Organismus lässt auf eine Gottheit schließen. In Palästina bemerkte der Lehrer Chanina, wie eine Frau heimlich wiederholt den Staub unter seinen Füßen aufnahm, um da­mit gegen ihn Zauberei zu treiben. »Nimm nur, es wird dir nichts nutzen«, denn es heißt: »Es gibt keine Macht außer ihm (Gott)!« Von diesen Religionskämpfen der Juden nach außen wenden wir uns zu denen nach innen. Innerhalb des jüdischen Volkes waren es die verschiedenen Religionsrichtun­gen, religiöse Parteien und Sekten, die gegeneinander polemisierten und so verschiedene Religionskämpfe und Re­ligionsgespräche veranlassten. Als die Ersten von denselben nennen wir:

B. Die Religionsgespräche zwischen den Juden und den Samaritanern. Die Samaritaner bildeten ein Mischvolk aus Juden und Cuthäern, sie gingen nicht in die Juden auf, sondern lebten in deren Mitte als ein Volk im Volke. Dieselben hatten einen eigenen Tempel auf dem Berg Gerisim, von dem sie be­haupteten, derselbe stehe auf der von Moses bezeichneten Stätte und sei das wahre, den Juden verheißene Heilig­tum. Auch von den zwischen ihnen und den Juden stattgefundenen Religi­onsgesprächen teilen wir einige mit. Vor Ptolomäus Philometor (180 — 146 v.), erzählt der Geschichtsschreiber Jo­sephus, brachten die Samaritaner in Alexandrien ihre religiösen Streitigkei­ten mit den Juden, betreffen die Legiti­mität ihrer Kultusstätte auf Gerisim, zur Entscheidung. Beide Teile sandten Abgeordnete, die ihre Streitsache vor­tragen sollten. Auf der Seite der Sama­ritaner waren es Sabbäus und Theodo­sius, aber für die Juden: Andronicus, Sohn des Messalam. Dieser brachte den Beweis aus der Schrift, der Aufei­nanderfolge der Hohenpriester, von denen stets der Sohn an die Stelle des Vaters trat; auch dass alle Könige Asi­ens den Tempel zu Jerusalem stets durch Gaben und Weihgeschenke hoch gehalten haben, während der zu Geri-sim gleichsam als nicht existierend, nie erwähnt und von niemandem berück­sichtigt wurde. Die Abgeordneten der Samaritaner wussten nichts dagegen vorzubringen. Andronicus brachte da­rauf noch andere Gründe vor, so dass der König gegen die Samaritaner für den Tempel zu Jerusalem entschied. Die samaritanischen Gesandten wur­den darauf zum Tode verurteilt. Keinen solchen gefährlichen Ausgang hatten die Religionsgespräche zwischen diesen beiden Volksteilen, von denen das tal­mudische Schrifttum spricht. R. Meir unterhielt sich mit einem Samaritaner über die angebliche Abstammung sei­ner Stammesgenossen. »Von wem stammst du ab?«, fragte er ihn. »Von Joseph (dem Stammvater Ephraims und Menasse)«, antwortete jener. Die Samaritaner hielten sich für Abkömm­linge des Stammes Ephraims, des Hauptstammes des israelitischen Zehn­stämmereiches. R. Meir sagte zu ihm ironisch: »Nicht von Joseph, aber von Jsaschar«, denn es heißt »Und die Söhne Jsaschars waren: Thola, Puva, Job und Somron (1. M. 46. 13), von dem letzten >Somron< stammen die Sa­maritaner. « Das erzählte dieser Sama­ritaner seinem Patriarchen. Derselbe merkte bald das Ironische bei dieser Angabe und sprach: »Diese Judäer wollen uns die Abstammung von Joseph nehmen, aber die von Isaschar nicht geben, nicht anerkennen! « Eine Generation später war es der Lehrer R. Jonathan, der über Samaria nach Jeru­salem reiste, um daselbst zu beten. »Wäre es nicht besser, du betest hier auf Gerisim, dem Berg des Segens und nicht in dem Hause des Zusammen­sturzes (im Tempel zu Jerusalem)!«, redete ihn ein Samaritaner an. »Wes­halb nennst du«, entgegnete jener, Gerisim den Berg des Segens?« Dieser antwortete: »Weil ihn nicht die Gewäs­ser der Sintflut erreicht hatten. « R. Jo­nathan wusste darauf nichts zu entgeg­nen. Da erbat sich sein Eselsführer die Erlaubnis, den Samaritaner zu beschei­den. »Es heißt«, sagte dieser, »von den Wassern der Sintflut: und sie bedeckten alle hohen Berge.« »Gehört euer Gerisim zu denselben, so ist er von den Sintflutsgewässern bedeckt worden; rechnet ihr ihn aber zu den niedrigen, so wird er gleich anderen niedrigen nicht in der Bibel beachtet.« Wir gehen nun an die Religionsgespräche:

C. Zwischen den gesetzestreuen Ju­den und den jüdischen Hellenisten sowie mit den essäischen und chassidäischen Sekten. Von den Religionsgesprächen, die zwischen den jüdischen Hellenisten und den Gesetzestreuen unter den Ju­den gehalten wurden, sind uns nur we­nige und diese im Gewand der Sage erhalten. Jakim (Alkimos) wird als Schwestersohn des Gesetzeslehrers Jose ben Joeser bezeichnet. Derselbe war das Haupt der jüdischen Hellenisten und erlangte unter der Syrerherrschaft durch seine Verräterei die Hohepries­terwürde vom J. 161 — 159. Die Sage hat sein Benehmen gegen seinen Onkel oben in folgender Unterredung zwi­schen ihnen verewigt. »Jakim ritt am Shabbath vor seinem Oheim Jose ben Joeser vorüber, vor sich her ließ er das Holz zum Galgen für die durch ihn verratenen und zum Tode verurteilten Chassidäer und Hellenisten tragen: Sieh, das Ross, das mein Herr mir zum Reiten gegeben und betrachte das, was dir bevorsteht!«, rief er diesem zu. »Wenn«, entgegnete der Angeredete, »solches denen beschieden ist, die Gott erzürnen, welches erst denjenigen, die Gottes Willen vollführen! « Jakim ant­wortete: »Wer erfüllte mehr Gottes Ge­bot als du?« »So schließe von mir auf dich, wenn es denen so schlecht ergeht, die den göttlichen Willen vollführen, was wird diejenigen treffen, die gegen ihn freveln!« Zur Gegenrichtung der Hellenisten gehörten die Chassidäer. In ihrer übertriebenen Frömmigkeit woll­ten sie nicht an Shabbath gegen den Feind kämpfen und ließen sich zu Tau­senden hinwürgen. Von einem solchen Vorfall in der Zeit der makkabäischen Erhebung erzählt das erste Buch der Makkabäer 2. 39. Dasselbe berichtet von folgender Unterredung zwischen den Makkabäern und den Chassidä­ern: »Wenn wir also tun, wie unsere Brüder getan und nicht streiten gegen die Heiden (am Shabbath) für unser Leben und unser Gesetz, so werden sie uns bald von der Erde vertilgen.« Sie berieten sich und kamen überein: »So jemand gegen uns zum Streite zieht, wollen wir gegen ihn streiten (am Shabbath), damit wir nicht alle um­kommen gleich unseren Brüdern, die nicht am Shabbath kämpfen wollten.. Von den Essäern sind es die Morgen­täufer oder die Morgensbadenden, »toble schachrith«, deren Dispute mit den Pharisäern erwähnt werden. Wir bringen folgendes Religionsgespräch zwischen beiden. »Wir klagen über euch Pharisäer, dass ihr des Morgens den Gottesnamen (beim Gebet) aus­sprecht, ehe ihr ein Bad genommen«, sprachen die Morgensbadenden zu den Pharisäern. Diese entgegneten: »Wir klagen über euch, dass ihr den heiligen Gottesnamen durch die Organe des Körpers, des Sitzes der Unreinheit, aus­sprecht. « Eine andere Sekte war die des Juda Gaulanitis oder des Galiläers, die der jüdischen Republikaner, die keinen weltlichen König anerkannten und die Wiederherstellung der reinen Theokratie sich in den Kopf setzten. Diese Sekte ist im talmudischen Schrift­tum unter dem Namen »Min Galili« bekannt. Von ihren Religionsgesprä­chen mit den Pharisäern zitieren wir folgendes: »Wir klagen über euch Pha­risäer, riefen die Männer dieser Sekte den Pharisäern zu, dass ihr in den Ur­kunden, als z. B. in den Scheidebriefen u. a. m. den Namen des regierenden Herrschers mit dem eines Moses ver­zeichnet.« Diese antworteten »Desto mehr klagen wir über euch, ihr schreibt (in euren Bibelabschriften) den Namen des Herrschers mit dem Namen Gottes auf einer Seite, ja ihr nennt jenen vor diesem, denn ihr schreibt: Und es sprach Pharao: >Wer ist der Ewige, auf dessen Stimme ich hören soll< (2. M. 10), also hier erst >Pharao< und dann >der Ewige<«. Eine dritte Sekte, von der ein Religionsgespräch vorkommt, ist die der Nasiräer, die von und nach der Zerstörung des jüdischen Staates in Pa­lästina unter den Juden einen starken Anhang hatten. Es wird über dieselbe berichtet: Als nach der Zerstörung des Tempels die Pharisäer, die sich den Ge­nuss des Weines und des Fleisches ent­sagten, außerordentlich zunahmen, trat der Volks- und Gesetzeslehrer R. Josua in ihre Mitte und fragte sie: »Wa­rum esst ihr kein Fleisch und trinkt kei­nen Wein?. Sie antworteten ihm: »Sollten wir Fleisch essen, von dem heute nichts auf den Gottesaltar kom­men kann? Dürfen wir Wein trinken, von dem kein Trankopfer mehr auf dem Altar dargebracht wird? »Aber«, entgegnete er ihnen, »da dürfte man auch kein Brot essen, weil man vom Mehl keine Speiseopfer mehr dar­bringt, ebenso wäre der Genuss von Baumfrüchten untersagt, da man von denselben keine Erstlinge nach Jerusa­lem bringen kann; auch Wasser dürfte nicht getrunken werden, weil von den­selben nicht mehr die Wasserspende am Laubhüttenfest stattfindet. Meine Söhne«, ermahnte er sie, »sich der Trauer völlig zu entziehen, ist nicht recht, aber ebenso unrichtig, derselben sich zu viel hinzugeben; ein Erinne­rungszeichen an eurem Hause und eu­rem Tische und es genügt.« So viel von den Sekten der Überfrommen, die man auch die der jüdischen Altnationalen nennen könnte. Eine Übersicht des hier Angegebenen ergibt das Streben der Ge­setzeslehrer, die verschiedenen Religi­onsrichtungen über ihr Vorhaben aufzu­klären, sie vor Übertreibung zu warnen und ihnen den Weg der Mitte zu emp­fehlen. Nach demselben Prinzip sind ihre Religionsgespräche mit den anderen religiösen Parteien im Judentum, die sich durch fremde Einflüsse gebildet hatten. Es sind dies:

D. Die Anhänger der alexandrini­schen Philosophie, die Gnostiker und die Judenchristen, die unter dem Namen »Min«, »Epikuräer«, »Leugner« u. a.m. im talmudischen Schrifttum bekannt sind. Wir gehen zu denselben über.

a. Gott, eine oder mehrere Perso­nen? In der philonischen Philosophie (s. Religionsphilosophie) wird von Gott selbst, den man nur als »Sein« kennt, eine zweite, in der Welt tätige Gottheit, der Logos oder der Demiur­gos, unterschieden. Philo sucht diese seine Lehre von Gott in der Bibel nach­zuweisen. Der Gnostizismus und das Christentum haben diese philonische Logoslehre weiter ausgebildet und sich auch der biblischen Nachweise Philos für dieselbe bemächtigt. Im dritten Jahrhundert n. waren es die Lehrer R. Ismael Sohn R. Joses und R. Simlai, an die sich die Minin (wohl Judenchristen oder Gnostiker) mit solchen Bibelstel­len wandten, um in denselben den Glauben an zwei oder mehrere Gott­heiten nachzuweisen. »Die Minin«, heißt es, fragten R. Ismael: »Wie viele Gottheiten schufen die Welt?« Er ant­wortete: »Mich fragt ihr, erkundigt euch doch, was über die Schöpfung des Menschen steht.« »Frage die ersten Tage von der Zeit, da Gott den Men­schen schuf« (5. M. 4. 32); »Gott schuf« also nur ein Gott. Sie fragten ferner: »Es heißt: >Im Anfange schuf Elohim<, also eine Pluralnennung meh­rerer Gottheiten! « Simlai erwiderte: »An der Seite steht die Antwort auf diese Frage: >Elohim schuf<, also >schuf< im Singular, nur eine Gottheit! « Wie­derholt fragten sie, es heißt: »Wir wol­len einen Menschen machen (1. M. 8.), im Plural.« Auch darüber habt ihr die Antwort an der Seite; es steht: »Elohim schuf den Menschen in seinem Eben-bilde«, aber nicht: »Elohim schufen den Menschen in ihrem Ebenbilde.« »Aber warum setzten sie ihre Fragen fort, lesen wir (1. M. 19. 2.4): >Der Ewige ließ vom Ewigen über Sodom und Amora Schwefel und Feuer reg­nen, da sind ja zwei Gottheiten?« »Nein«, lautete darauf die Antwort, denn das ist nichts als eine gewöhnli­che Wiederholung, wie in 1. M. 4. 22: »Lemach sprach zu seinen Frauen Ada und Zilla, Frauen Lemachs, hört auf meine Stimme.« Ferner redeten die Minin R. Simlai an: »Spricht die Bibel nicht von mehreren Gottheiten, wenn es heißt: Gott (Elohim), der Ewige, weiß es (Josua 22. 22)?« »Vergiss nicht des Prädikates daselbst«, erwiderte derselbe; »es heißt: er weiß es«, also im Singular, eine Gottheit. »Aber« wie­derholten sie ihre Frage, »du findest ja Ps. 50. 1 >Gott (Elohim), der Ewige spricht<, also mehrere Gottheiten?. »Auch hier schließt nicht der Satz mit >sie sprechen<, sondern >er spricht<, war die Antwort.< Doch warum heißt es trotzdem: »Welchen Elohim sich nahen (5. M. 4. 7)?« Er entgegnete: »Blicke auf den Nachsatz; derselbe lautet: >So­bald sie sich an ihn wenden<, also >ihn<, eine Einheit. « Ebenso beantworten sie die Frage: »Es heißt doch: >Hörte wohl ein Volk Elohim, wie er aus dem Feuer redete< (5. M. 4. 37), aber auch da steht nicht >sie redeten<, sondern »er redete«, folglich nur eine Gottheit.«

b. Die Unmittelbarkeit Gottes. Das unmittelbare Wirken Gottes in der Welt ist eine der Grundlehren der Got­tesidee in der Bibel. Gott tritt nach der­selben als unmittelbarer Schöpfer und Weltregierer auf. Die jüdisch alexan­drinische Philosophie, wie sie von Philo gelehrt wird, hat diese Grundlehre fal­len gelassen und spricht nur von einer mittelbaren Schöpfung und Weltregie­rung durch Gott. Gleich Plato spricht auch sie von einem Logos, einer zwei­ten Gottheit, als dem Weltschöpfer und Weltregierer. Diese Meinung hat auch in Palästina ihre Anhänger und Vertre­ ter gefunden. Der Talmud hat auch für sie nur den Namen »Minin«, Sektierer; es sind Hellenisten, Gnostiker und auch Judenchristen. »Ich weiß«, sprach ein Min zu R. Gamliel II. (im I. Jahrh. n.), »was Gott tut und wo er wohnt!«, womit er auf die Annahme von zwei Gottheiten hindeutete, von denen das höchste Sein nur durch eine zweite Gottheit in der Welt mittelbar wirkt. Der Rabbi hörte zu und seufzte. Dieser wurde darüber stutzig und fragte nach der Ursache des Seufzens. Da erhob sich der Gefragte und erzählte ihm, dass er einen Sohn in weiter Ferne habe, über dessen Befinden er gern et­was wüsste, vielleicht, bat er zuletzt, kannst du mir über denselben etwas berichten. »Wie?«, entgegnete dieser, »weiß ich denn, wo derselbe sich auf­halte?« Du weißt nicht», rief R. Gam­liel, «was auf der Erde unter Menschen vorgeht, wie erkühnst du dich, Gottes Tun und Sein im Himmel zu bestim­men? « Eine zweite Frage in Bezug auf die biblische Lehre von dem unmittel­baren Schaffen und Wirken Gottes in der Welt war die eines Gnostikers, Min, im zweiten Jahrhundert n. an R. Meir: »Sollte der göttliche Quell«, fragte derselbe (Ps. 65. 10), »von dem der Psalmist singt, dass er die Welt tränke und befruchte, noch nicht er­schöpft sein? « »Nein!«, antwortete er. »Überführe mich! Mache an dir selbst den Versuch«, entgegnete jener. »Bevor du ein warmes Bad nimmst, lasse dich wiegen und nach demselben ebenfalls, du wirst erfahren, dass du trotz des verlorenen Schweißes nicht leichter ge-worden. Ähnlich ist es mit der Uner-schöpflichkeit der Gottesliebe. Weiter wird in mehreren Fragen das in der Bibel geschilderte unmittelbare Wirken Gottes bespöttelt. »Eurem Gott wird das Zählen der Sterne als etwas Ruhmvolles beigelegt (Ps. 147. 4), das vermag ich auch, redete ein Min (Gnostiker) R. Gamliel II. an. »Bald sollst du deiner Torheit überführt werden!, entgegnete ihm der Rabbi. Er nahm ein Sieb, legte Quitten hinein und ließ sie im Kreise herum bewegen, worauf er ihm zurief: »Zähle, wenn du kannst! »Halte still, rief jener, »damit ich mich nicht irre!. »Aber., entgegnete der Rabbi, »steht denn das All der Schöpfung still? Ist nicht da alles in steter Bewegung und du behauptest, die Sterne zählen zu können. Ein anderes Mal wurde er gefragt: Die Bibel (2. M. 25. 2) hält euren Gott für einen Priester, dem man Spende reichen soll und doch heißt es (5. M. 35. 6), Moses wurde durch Gott begraben, ein Toter verunreinigt, wie gelangte Gott wieder zu seiner priesterlichen Reinheit? Da antwortete er ebenso ironisch: »Das Feuer war es, worin er sich reinigte nach Jesaja 66.«

c. Gottes Gegenwart. Gott, das höchste Wesen, wird in der alexandrinischen Philosophie als außerweltliches, aber in der Welt wirkendes Wesen, als einen allgegenwärtigen Gott. Diese Gottesidee der Bibel wurde von den Gnostikern in ihren Religionsgesprächen mit den jüdischen Volkslehrern oft angegriffen. »Wo, glaubt ihr, wohnt Gott?., fragte ein Min, Gnostiker, den Rabbi Gamliel. »Ich weiß es nicht«, antwortete dieser bescheiden und ausweichend. »Aber so versteht ihr nicht, wohin ihr eure Gebete richten solid. entgegnete jener. »Dos wundert dich., sprach R. Gamliel, »so sage mir erst, wo die Seele in dir wohnt?. Beschämt trat er zurück, ohne etwas antworten zu können. »Ha«, rief dieser, »wenn du das in dir nicht erfor-schen kannst, wie willst du das, was außer dir ist, ergründen!« »Kann wohl die höchste Gottheit es gewesen sein, die nach der Verheißung in der Stiftshütte erscheinen sollte; der höchste Gott, den nicht Himmel und Erde fassen, kann der in der Stiftshütte auf den beiden Cherubim weilen?«, fragte ein Min, Gnostiker, den Rabbi Meir. Er antwortete: »Bringe mir einen Spiegel und blicke hinein, du wirst darin deine ganze Gestalt sehen, wenn du auch größer als der Spiegel bist. Ähnlich ist es mit der Gottesoffenbarung in der Stiftshütte.

d. Von dem Aufhören des Berufes des jüdischen Volkes. Die römische Unterdrückung des jüdischen Volkes, be-sonders durch die hadrianischen Verfolgungsedikte, und später durch das Christentum, beide weisen zu ihrer Rechtfertigung und Begründung auf das Aufhören des Berufes des jüdischen Volkes hin. Wir bringen darüber mehrere Religionsgespräche. R. Josua ben Chananja war bei dem Kaiser Hadrian, wo ihm ein Min, Judenchrist, zurief: »Da ist der Beweis, dass ihr von Gott verstoßen seid!« und wies damit auf Roms Herrschaft hin. »Nein«, antwor­tete er, »denn da zeigt es sich grade, wie Gott schützend seinen Arm über uns ausbreitet und uns erhält.« Wieder rief ihm ein anderer zu: »Dorn!« Denn so ist dein Name nach Micha 7. 4: »Die Besten unter euch sind wie Dor­nen.« Da entgegnete R. Josua: »Wohl sind wir wie Domen, aber wie die, wel­che zu Zäunen gebraucht werden, da­mit der Feind nicht in den Garten des Herrn dringe und das heilige Wachs­tum zertrete«, und deutete hiermit auf die Abschaffung der mosaischen Ge­setze im Christentum. Im dritten Jahr­hundert n. war es der Volkslehrer R. Chanina, der gefragt wurde: »Seid ihr nicht von Gott verworfen, wenn es heißt: >Ihre Sündhaftigkeit ist am Saume ihres Kleides (Klgld. 1)?< »Du vergisst«, antwortete dieser, »dass es auch heißt: Gott wohnt in ihrer Mitte auch bei ihrer Sündhaftigkeit (3. M. 16. 17).« Bei einem anderen Lehrer dieser Zeit, Rab Saphra, fanden sich ebenfalls Minin (Judenchristen) ein und fragten: »Heißt es nicht: >Nur euch habe ich erwählt von allen Familien der Erde, darum werde ich an euch alle eure Sünden ahnden (Amos 3. 2)<, aber wird jemand seinen heftigen Zorn an seinem Freunde auslassen?« Der Rabbi schwieg und antwortete nicht, da warfen die Judenchristen ein Tuch um sei­nen Hals und misshandelten ihn. Hierzu kam der beliebte Volkslehrer R. Abbahu. Sofort wandten sie sich an diesen mit derselben Frage, die er durch folgendes Gleichnis beantwortete: »Ein Mann hatte zwei Leuten Geld geborgt, von denen er einem gewogen und dem anderen abgeneigt war. Von dem Freunde forderte er die Zahlung all­mählich in kleinen Raten, aber von dem anderen wollte er die Schuld auf einmal bezahlt haben. So ahndet Gott bei uns die Sünden allmählich in Liebe, er straft nicht mit Zorn, sondern ahn­det nur.« Wieder wird von einem Ge­spräch der Judenchristen mit der Frau des Gesetzeslehrers R. Meir, mit der edlen Beruria erzählt. Dieselben frag­ten sie: »Es heißt: >Freue dich du Unfruchtbare (Jesaja 54)<, welche Freude kann eine Unfruchtbare haben, ist das nicht eine Ironie für euch Israeliten?. »Reiße die Worte nicht aus ihrem Zusammenhange und lies, was darauf folgt: »Denn mehr werden die Kinder der Verlassenen als die der Vermählten sein< (Das.).«

e. Vom Gesetze. Die Auflösung des Gesetzes bildete im paulinischen Chris­tentum eine seiner Hauptlehren. Auch die harten hadrianischen Verfolgungse­dikte verboten die Vollziehung des Ge­setzes und drangen auf die Auflösung desselben. So entstanden zwischen Rö­mern, Christen und Juden Religionsge­spräche über den Fortbestand des Ge­setzes. Schon oben brachten wir die Unterredungen R. Akibas mit dem römischen Statthalter Tinius Rufus über den Shabbath, die Beschneidung u. a. m. Zu denselben tragen wir nach: Es fragte Akyles (Aquila) den R. Elieser im ersten Jahrhundert n.: »Wenn eine Beschneidung ein solch vorzügliches Gesetz ist, warum wurde ihr Gebot nicht in den Zehn Geboten erwähnt?« »Weil dasselbe schon vor dieser Zeit Abraham gegeben wurde« antwortete er. Im dritten Jahrhundert n. wandte sich ein Philosoph (Christ) an den Lehrer Oschaja: »Wenn die Beschneidung so hoch gehalten wird, warum wurde sie nicht mit Adam miterschaffen?« »Damit auch der Mensch, gleich anderen Wesen in der Schöpfung, sich selbst zu vollenden habe«

f. Tod und Auferstehung. Die Auferstehung war ein Dogma auch des Christentums, dagegen erkannten die Hellenisten, die Sadducäer, die Anhänger der alexandrinischen Philosophie und die Gnostiker dasselbe nicht an. Ebenso wurde dasselbe von den gebildeten Römern bekämpft. Schon oben brachten wir die Religionsgespräche darüber zwischen dem Patriarchen R. Gamliel II. und einem Min, Sektierer. Als Ergänzung dazu zitieren wir eine Unterredung eines Gnostikers, Min, mit dem Lehrer R. Jose im zweiten Jahrhundert n. In Sephoris kam er mit demselben bei einem Freunde zusammen, den jener besuchte, um ihn wegen des ihm gestorbenen Sohnes zu trösten. Er trat ins Zimmer und setzte sich ruhig hin. Bald entwickelte sich folgendes Gespräch unter beiden. Der Min: »Warum so ruhig, rührt dich das Unglück dieses Trauernden nicht?« R. Jose: »Wir hangen dem Glauben der Auferstehung, dass wir uns mit den Hingeschiedenen wiedersehen werden« Der Min: »Hat denn der Mann nicht des Leidens genug, dass du ihn noch aufregst? Können zerbrochene Scherben wieder ganz werden?« Und heißt es nicht: »Ich zerschlage sie gleich irdenem Geschirr (Ps. 2. 9)?« R. Jose: »Dennoch ist ein Wiedersehen. Denn was mag die Ursache sein, dass ein Glas, so es zerbrochen wird, wieder aus seinen Scherben neu geschaffen werden kann, während ein zerbrochenes Tongeschirr nicht aus seinen Scherben ganz zu machen ist?« Der Min: »Weil das Glas geblasen wird.« R. Jose: »So höre, was du selbst gesprochen. Was durch des Menschen Hauch geschaffen wurde, kann sich wieder aus seinen Trümmern erheben, das, was durch Gottes Geist entstanden, der Mensch, dem Gott den Geist eingehaucht hat, doch sicherlich!«