Knecht Gottes

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Knecht Gottes. Zu den vielen Ge­genständen in der heiligen Schrift, de­ren klare objektive Darstellung eine Errungenschaft der Bibelexegese un­serer Zeit ist, gehört unstreitig auch die Auffassung und Erklärung des bi­blischen Ausdrucks von »Knecht Got­tes«, hebräisch: »Ebed Adonai«, nebst den mit ihm in Zusammenhang stehen­den Bibelstellen. Die alte Messiaslehre im mystischen Judentum sowie in dem aus ihm sich entwickelnden Christentum mit ihren Schriftbeweisen hat sich unter vielen anderen auch des Aus­drucks »Knecht Gottes«, Ebed Adonai, mit den an ihn sich knüpfenden Pro­phetenverheißungen des Jesaja II. mit besonderer Vorliebe bemächtigt, dieses, um in ihnen Beweise für den von ihm geglaubten, schon erschienenen Mes­sias aufzufinden, jenes, um sie als Hoff­nungsverheißungen für den erst zu er­wartenden Erlöser aufzustellen. Gegen beide hat die Exegese ihre scharfen Waffen der Kritik gerichtet und die be­treffenden Stellen in ihrem wahren Lichte, ohne auf die dadurch da und dort entstehenden Lücken und Ausfälle in der Beweisführung für den Messias-glauben zu achten, dargestellt. Freilich hat das Verstandesjudentum von vorneherein gegen diese Berufung auf den »Knecht Gottes« und dessen Stellen Protest eingelegt (s. weiter), auch mag das mystische Judentum diese Schrift­stellen gleich ähnlichen Bibelzitaten bei anderen Lehren in der Agada nur als Anlehnung, um gleichsam Anknüp­fungspunkte für seine Messiaslehre zu erhalten, gebraucht haben. Es hat also gar nicht daran ernst gedacht, diese Auffassung als den wirklichen Sinn der betreffenden Schriftstellen anzugeben, wie man überhaupt in der Agada, zu deren Erörterungen die Messiaslehren gehören, die Erklärung nach dem ein­fachen Schriftsinn (Peschat) von der anderer Auffassungsweisen, als z. B. der allegorischen oder der schriftfor­scherischen (Derusch) Auslegung, streng scheidet, so dass diese gleichsam als die subjektive, oder die im Dienste der kirchlichen Lehren stehende Exe­gese betrachtet wird, aber jene als die objektive, rein schriftliche gilt. Wir se­hen in unserer Arbeit von jeder Vo­raussetzung ab und halten uns dafür nur an das biblische Wort. So erscheint uns schon die Benennung »Knecht Gottes« als die Wiedergabe des hebräi­schen: * * * * עבד keine sinngemäße. Der Ausdruck »Knecht«, »Knecht­schaft«, erinnert an »Sklave«, »Skla­ventum«, von dem es nur die schwä­chere Bezeichnung ist. Das hebräische »ebed«, עבד, in seiner Verbindung mit * * * *, oder »Elohim«, Gott, be­zeichnet weder den Knecht, noch den Sklaven, bringt nicht den Sinn einer Knechtschaft oder Sklavenarbeit zum Ausdruck, sondern hat mehr den edle­ren Gedanken der Verehrung, der Got­tesverehrung, zu seiner Grundbedeu­tung. Es ist die Benennung, welche die freie sittliche Arbeit, die heiligende Hingebung für das Hehre, für Gott und Tugendwerke im Sinne von Vereh­rung, Gottesverehrung, zu ihrer Grund­idee hat, welche nicht durch »Knecht«, »Knecht Gottes«, wie nicht »Gottes­verehrung« durch »Gottesknecht­schaft«, wiedergegeben werden kann, sondern mehr für das deutsche Wort »Diener«, »Diener Gottes«, in der Be­deutung von »Verehrer«, »Gottesver­ehrer« passt. Wir haben also in den biblischen Stellen von dem »Ebed Ado­nai«, oder »Ebed Elohim«, עבד אלהים, keinen »Knecht Gottes«, son­dern einen »Diener Gottes«, »Verehrer Gottes«, von dem gesprochen wird. Diesen Ehrennamen führen die hervor­ragenden Männer der biblischen Reli­gionsgeschichte, die in freier, voller Hingebung an dem Werke der Pflege und Ausbreitung der religiösen Idee, des reinen Gottesglaubens arbeiten. »Diener Gottes« heißen: Abraham, Mose, auch Caleb, Josua, Samuel, Da­vid, Eljakim (Jes. 22. 20), Jiob (Hiob 1. 8), Serubabel (Hag. 2. 24), der Davide, Messias (Sachariä 3. 8), Nebukadnezar als Vollstrecker des Gottesbeschlusses (Jeremia 25. 9), die Propheten im Allgemeinen, als auch einzeln, als z. B. Ahia, Elia, Jona, Jesaja u. a. m. sowie die Frommen überhaupt, aber ganz be­sonders das Volk Israel unter der Be­nennung »Israel« und »Jakob«, als das im Dienste Gottes zur Erhaltung und Vollziehung des Gottesgesetzes, zur Pflege und Verkündigung der reinen Gottesidee, zur Bildung und Ausbrei­tung des Gottesreiches dastehende Volk. Wir heben schon jetzt diese letzte Benennung von »Diener Gottes« als die des israelitischen Volkes mit vielem Nachdruck hervor, weil sie uns die Er­klärung und richtige Auffassung der von vielen missverstandenen Stellen in Jesaja 11. erleichtern hilft. Die Stellen, wo Israel die Benennung »Diener Got­tes« in obiger Bedeutung erhält, lauten wörtlich: »Du aber, Israel, mein Die­ner, Jakob, den ich mir erkor, Nach­komme Abrahams, meines Freundes«, du, den ich erfasste an den Enden der Erde, von den äußersten Gegenden herbeirief und zu dir sprach: Du bist mein Diener, ich habe dich erwählt und nicht verworfen. Fürchte dich nicht, denn ich bin bei dir, verzage nicht, denn ich bin dein Gott; ich befestige dich, helfe dir, auch stütze ich dich mit dem Arm meiner Gerechtigkeit. Siehe, sie sind beschämt, sie erröten; alle, die gegen dich zürnen, werden wie nichts; sie gehen unter, die Männer deines Streites! Siehe, ich mache dich zur Dre­schwalze, scharf, neu, zweischneidig; du zerdrischest und zermalmst die Berge und machst die Hügel wie Spreu.« Wir erkennen schon in diesem Prophetenstück, dass der Name »Die­ner Gottes« Israel in Bezug auf den ihm gewordenen Beruf, Träger und Verkün­der der Gottesidee zu sein, beigelegt wird. Deutlicher haben wir dasselbe auf einer anderen Stelle ausgesprochen: »So höre denn Jakob, mein Diener; Is­rael, den ich erwählt habe! So spricht der Ewige: Dein Schöpfer und dein Bildner von Mutterleibe steht dir bei, fürchte nicht mein Diener Jakob, Je­schurun, den ich erwählt habe. Denn wie ich Wasser gieße auf das Lech­zende, Fließendes auf das Dürre, so schütte ich meinen Geist aus über dei­nen Nachkommen, meinen Segen auf deinen Sprossen.« Dieser spricht: »Dem Ewigen gehöre ich«; der andere nennt sich nach dem Namen »Jakob!« Dieser zeichnet sich mit seiner Hand: »Dem Ewigen!« und erteilt sich den Namen »Israel!« Es ist ein Ruf an die Gesamtheit des israelitischen Volkes in dem babylonischen Exil, wo es nach der Eroberung und Zerstörung seines Staates weilte, nicht durch die über es ergangenen Leiden an seinem göttli­chen Berufe irre zu werden, nicht von seiner heiligen Aufgabe zu lassen. Nach dieser Darlegung gehen wir an die erste Stelle in Jesaja 42. 1 — 8, die von vielen als eine messianische bezeichnet wird und sich auf den Messias beziehen soll, aber bei einer genaueren Prüfung der­selben, wenn wir sie nicht aus ihrem Zusammenhange reißen, keinen ande­ren als das Volk Israel in seinem Berufe als Verkünder der Gotteslehre auf dem ihm dadurch gewordenen Leidensweg zur endlichen Vollziehung seiner Auf­gabe im Auge hat. Der Beweis für un­sere Auffassung ist der Vers 19 in dem­selben Kapitel, wo der »Diener Gottes« wegen seiner Geistesbeengung »blind« und »taub« beschimpft wird, was sich deutlich auf den Teil des israelitischen Volks bezieht, der seiner göttlichen Aufgabe den Rücken gekehrt hat und von demselben nicht weiter wissen möchte. Die betreffende Stelle lautet: »Siehe da, mein Diener, an dem ich festhalte, mein Auserwählter, den meine Seele liebt; ich lege meinen Geist auf ihn, dass er das Recht den Völkern offenbare. Er schreit nicht, prahlt nicht und lässt nicht auf der Gasse seine Stimme hören. Geknicktes Rohr wird er nicht brechen und glimmenden Docht nicht auslöschen; zur Wahrheit bring er das Recht. Er wird weder matt, noch kraftlos, bis dass er im Lande eine Stätte für das Recht gegründet und die Küstenbewohner sich nach seiner Lehre sehnen. Ich, der Ewige, berief dich nach Gerechtigkeit, ergriff deine Hand, bildete dich und setzte dich ein zum Bund des Volkes (der Völker), zum Lichte der Nationen. Blinde Augen zu öffnen, aus dem Kerker den Gefange­nen herauszuführen, aus dem Gefäng­nishause, die in Finsternis sitzen. — Ihr Tauben höret, und ihr Blinden schauet auf, um zu sehen. Aber wer ist blind, denn mein Diener; und taub, als mein Bote, den ich sende; wer ist blind, denn der sich vollendet Denkende und wer so blind, als der >Diener des Ewigen!< Du hast vieles gesehen und nichts be­wahrt, die Ohren offen gehabt, aber nichts gehört!« Wir merken, dass das ganze Stück ein Mahnruf an das Israel ist, sich seiner göttlichen Sendung be­wusst zu werden und jede Lässigkeit für die heilige Sache aus seiner Mitte zu bannen. Doch war damit noch nicht die Frage über die Leiden Israels beant­wortet. Israels Geschicke sollten nach obiger Darstellung, teils seine geistige Wiedergeburt und mit diesem seine verheißene Erlösung fördern helfen, teils seiner Gotteslehre den Weg zu den Völkern bahnen. Aber das Maß der Leiden war so voll und noch die Erfül­lung der Verheißung so fern, scheint es nicht, riefen viele, als wenn all unser Hoffen vergeblich wäre? Die Beant­wortung dieser Frage bringt das Kapi­tel 49, welches wir als das dritte Pro­phetenstück von dem »Knecht Gottes« bezeichneten. Dasselbe ruft: »Höret, o Küstenländer, auf mich; merket ihr Völker in der Ferne: von Mutterleibe hat mich der Ewige berufen, vom Schoße der Mutter aus meiner mit Na­men gedacht. Er bildete meinen Mund wie ein scharfes Schwert, barg mich unter den Schatten seiner Hand, machte mich zu einem scharf geschlif­fenen Pfeil und barg mich in seinen Kö­cher. Er sprach zu mir: >Du bist mein Diener, du Israel, an dem ich mich ver­herrliche.< Zwar dachte ich, umsonst habe ich mich abgemüht, um nichts und Eitles meine Kraft verschwendet, doch mein Recht ist bei dem Ewigen und mein Wort vor Gott. So nun spricht der Ewige, der mich vom Mut­terleibe zu seinem Diener gebildet, dass Jakob zu ihm sich wende und Israel um ihn sich sammle; so werde geehrt in den Augen des Ewigen, mein Gott war meine Macht. Er spricht: Zu gering ist es dir, mein Diener zu sein, wiederher­zustellen die Stämme Jakobs, die Ge­retteten Israels zurückzuführen; ich machte dich zum Lichte der Völker, damit mein Heil bis an die Enden der Erde dringe. So spricht der Ewige zur Gnadenzeit, erhörte ich dich, am Tage des Heils stehe ich dir bei, ich bildete dich und setzte dich ein zum Bund des Volkes, zu vererben wüste Besitzungen. Sprich zu den Gefangenen: so ziehet denn; zu denen, die im Finstern weilen, tretet ans Licht usw.« Die Antwort auf obige Frage war also, dass die geistige Wiedergeburt noch immer nicht voll­endet sei, welches der einzige Grund der sich verzögernden Erfüllung sei. Ein Bild dafür findet der Prophet in der Geschichte seines eigenen Lebens, in seiner Hingebung für die Gottessache, voll der sicheren Zuversicht des endli­chen Sieges der Wahrheit. Es ist das Kapitel 50, 4 — 9, das ebenfalls als Pro­phetenstück von dem »Diener Gottes« bezeichnet wird, welches die Leiden des Propheten als Bild für die Leiden Israels vorführt, ein Verfahren, das sich ebenfalls in den Klageliedern Jeremias, Kapitel 3, schon vorfindet. Die aus dieser Vergleichung hervorgehenden Heilsverkündigungen mit einer Schil­derung Israels Leiden zur Sühne der Sünden und für das Wohl des Ganzen enthalten die letzten Prophetenstücke von dem »Knechte Gottes«, von Kapi­tel 52, 13 — 15 und Kapitel 53, 1 — 2. Wir bringen von denselben: »Siehe, meinem Diener wird es wieder glücken, erhebet sich und wird gar hoch sein. Wie viele sich über dich entsetzen, da unmenschlich entstellt dein Aussehen war, deine Gestalt nicht der der Men­schensöhne glich, so werden viele Völ­ker über dich auffahren, Könige ihren Mund schließen, denn sie betrachten, was ihnen weder erzählt worden, noch was sie gehört haben.« Nach dieser Prophezeiung der Glückstage Israels wirft der Prophet einen Rückblick auf dessen Leiden, die er als ein Märtyrer­tum für das Heil des Ganzen und zur Sühne dessen Sünden darstellt. »Ver­achtet und von Menschen verlassen, ein Mann der Schmerzen, von Krank­heit heimgesucht; wie einer, vor dem man sein Antlitz verbirgt; verachtet, um den man sich nicht weiter küm­merte. Aber er litt um unsere Krank­heit, unsere Schmerzen ertrug er; wir hielten ihn geschlagen, von Gott ge­troffen und gebeugt usw. Man machte bei Frevlern sein Grab, bei Tyrannen, da er starb, obschon er kein Unrecht getan usw.« »Aber Gott gefiel es, ihn durch Leiden zur Zerknirschung zu bringen, wenn er als Schuldopfer bü­ßen musste; er möge noch Nachkommen sehen, seine Tage werden sich ver­längern und das Werk des Ewigen gelinge in seinen Händen usw.« Der In­halt desselben ist, dass der »Diener Gottes« (Israel), wie er bisher aufs tiefste verachtet und erniedrigt gewe­sen, nunmehr verherrlicht und erhöht werden soll. Verse 2 — 3 schildern seine Erniedrigung; Verse 4 — 6 bringen die Anerkennung dieser Leiden zur Sühne der Sünden, es ist dies ein Sündenbe­kenntnis des gesamten Volkes, der Durchbruch der besseren Erkenntnis, eine Läuterung, die es durch das über­standene Märtyrertum sich errungen hatte. Das Volk gelangt durch seine Leiden zu einem edleren Bewusstsein; Verse 7 — 12 haben eine weitere Schil­derung dieser Märtyrerleiden mit dem Wunsch seines Wohlergehens dafür, der sich am Schlusse in Verse 11 — 12 in eine göttliche Verheißung umwan­delt. Das darauf folgende Kapitel 54 mit seinem Anfange: »So juble denn, du Unfruchtbare und Kinderlose; brich aus in Jubel und frohlocke, denn mehr sind die Kinder der Verlassenen, als die Kinder der glücklich Vermählten!. — enthält die weitere Schilderung des neuen Glückes Israels, des Gottesdie­ners, nach überstandenen Leiden. In Jesaja 65, 13 und 14 erhält diese ganze Verheißung ihren Abschluss; es wird da nicht mehr von dem »Knechte Got­tes« in der Einzahl, sondern in der Mehrzahl: »meine Diener« gesprochen, es ist nicht eine Person, etwa, wie man anzunehmen geneigt war, der Messias, sondern das israelitische Volk, die dem reinen Gottesglauben treu gebliebenen Israeliten, denen diese glückliche Zu­kunft verheißen wird. So erhalten wir in diesem Stücke gleichsam die Aufklä­rung, wen man unter dem anonymen »Knecht Gottes« zu verstehen habe. Wir wiederholen am Schlusse noch­mals die Gründe, die uns bestimmten, in dem anonymen »Knechte Gottes« nicht den Messias, sondern das israeli­tische Volk zu erkennen: 1. weil nach Jesaja 9, 1 — 7; 11, 1 — 11; Micha 5. 1, der Davide kein Leidender und Ster­bender, sondern ein siegreicher, macht­gekrönter Herrscher ist; z. nach Jesaja 53. 10 sind die Misshandlungen be­reits geschehen und überstanden, kön­nen sich also nicht auf einen Daviden beziehen als Weissagung der ihm be­vorstehenden, von ihm zu ertragenden Leiden; 3. wird der so misshandelte Knecht Gottes als schon begraben im Lande der Frevler bezeichnet, was buchstäblich nur auf die in babylo­nischen Ländern in den Verfolgungen gegen die Israeliten unter Nabonned umgekommenen Exulanten bezogen werden kann; 4. dass in Jesaja 53. 10. der Knecht Gottes, der nach seinem Tode und den überstandenen Leiden noch liebliche Nachkommen sehen, lange leben und mit Mächtigen die Beute teilen werde — nicht für den Mes­sias, viel weniger für den Messias des Christentums passt; 5. wird der Knecht Gottes »blind« und »taub« wegen sei­ner Unfolgsamkeit und Geistesbeengung genannt, was sich nicht auf den Messias beziehen kann. Fragen wir nach der Auffassung dieser jesaiani­schen Stellen von dem anonymen »Knechte Gottes« in der älteren Litera­tur des Judentums, so ist es das talmu­dische Schrifttum, worunter wir auch die Midraschim verstehen, das uns Aufschluss gibt. In Berachoth 5a, 57a, Sota 14a, Sanhedrin 98b, Jeruschalmi Schekalim 4. 1. werden die Stellen von Jesaja 52, 13 — 15 und 53, 1 — 12 auf die Gerechten in ihren Leiden zur Sühne ihrer und der andern Sünden be­zogen und erklärt. Dagegen sind es der Midrasch Tanchuma, Agadoth Samuel, der Targum zu Jesaja 52, 13 — 15 und 53, 1 — 2, welche dieselben als Weissa­gungen über die Geschicke der Person des Messias auffassen und darstellen. Wir erkennen, wie wir bereits oben be­merkt haben, in diesen entgegengesetz­ten Auffassungen dieser Stellen die zwei im Judentume vorherrschenden Richtungen, die mystische und die Ver­standesrichtung, von denen diese die Anhänger der ersten Auffassung, aber jene der zweiten Erklärung zugetan sind. Einen Beweis, dass nur der Mysti­zismus im Judentum die zweite Auffas­sung vertritt, haben wir in dem kabba­listischen Soharbuche, zu וישב und zu ויקהל, wo jene obige zweite Erklärung von Jesaja 52, 13 — 15 und 53 wieder­gegeben wird. Diese mystische Rich­tung hat in Folge ihrer Auffassung die­ser Stellen die Annahme von zwei Messiassen, einen Leidenden, unter dem Namen »Messias, Sohn Joseph«, der im Kampfe gegen den Unglauben umkommen wird und einen Siegenden, der sein Reich als Königmessias antritt und »Messias, Sohn David« heißt. Ge­gen diese Auffassung der Mystiker ha­ben sich die bedeutendsten jüdischen Exegeten des Mittelalters erklärt; so Salomo Jizchaki, genannt Raschi, Da­vid Kimchi, genannt Redak, u. a. m..